Effiziente Parkraumbewirtschaftung, weniger Verkehr

Jede Autofahrt beginnt und endet mit einem Parkplatz. Darum ist eine konsequente Parkraumbewirtschaftung ein wichtiges Mittel zur Steuerung des Verkehrsaufkommens. Der Gesamtverkehrsplan Frankfurt am Main (GVP) hat diesbezüglich Nachholbedarf. In einem knappen Abschnitt sind dort Maßnahmen der 1990er Jahre aufgeführt: weitere Parkhäuser, die Stellplatzeinschränkungssatzung, Anwohnerparken, Quartiersgaragen und dezentrale Park & Ride-Anlagen.

Das Parkkonzept stellt somit nur eine Reaktion auf eine weitgehend unkontrolliert wachsende Nachfrage dar. Andere europäische Großstädte haben hingegen das Angebot von Parkplätzen als effizientes Steuerungsmittel erkannt, um den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren: [1, 2]

  • Bis zu 50% des Verkehrsaufkommens wird durch Parkplatzsuchende verursacht.
  • In Frankreich wird Parken als ein Werkzeug angesehen, das landesweit Treibhausgase um 14% reduzieren kann.
  • Die Einführung von Parkgebühren in Wien führte dazu, dass die Zahl der gefahrenen Kilometer um 70% sank.
  • Eine Erhöhung der Parkgebühren führte zu 30% weniger Belegung in München, je 20% weniger in Amsterdam und in fünf britischen Städten – als Optimum gilt eine Belegung von 85%, um den Parkplatzsuchverkehr zu minimieren.
  • 50% der städtischen Autofahrten sind kürzer als 5 km. Konsequenterweise ergab eine Studie in Paris, dass 40% der Autofahrenden auf ÖPNV, Fahrräder oder Laufen umsteigen würden, wenn ihnen kein Firmenparkplatz mehr zur Verfügung stehen würde; weitere 15% gaben an, Fahrgemeinschaften bilden zu wollen.
  • Läden in Fußgängerzonen generieren mehr Umsatz als solche mit Parkplätzen vor der Tür. In die Münchner Fußgängerzone kommen nur 16% mit dem Auto, 72% mit öffentlichen Verkehrsmitteln, der Rest läuft oder fährt Fahrrad.
  • Die Einnahmen aus Parkgebühren haben sich in Antwerpen zwischen 2001 und 2003 mehr als verdreifacht.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Durch steuernde Maßnahmen steigen die Luft- und die Lebensqualität. Verkehrsräume werden sicherer und für urbanes Leben zurückgewonnen, Mobilität ist diskriminierungsfrei nicht mehr an den Besitz eines Autos gebunden, die Attraktivität der Stadt als Wohnort steigt.

Dies vorausgeschickt, beauftragt die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat mit dem Prüfen und Berichten der folgenden, in anderen europäischen Großstädten realisierten Punkte zur Aufnahme in den Gesamtverkehrsplan oder andere geeignete Steuerungsinstrumente:

  1. Anwohnerparken:
    1. Anwohnerparkausweise können auch über eine Website bestellt werden.
    2. Anwohnerparkausweise für Zweitwagen werden teurer.
    3. Die maximale Anzahl der Anwohnerparkausweise wird auf 90% der verfügbaren Parkplätze beschränkt.
    4. Eine Anwohnerparkerlaubnis kann einmalig gegen eine RMV-Jahreskarte getauscht werden.
    5. Alternativ zu Anwohnerparkerlaubnissen können in den Stadtteilen flächendeckend moderne Parkautomaten aufgestellt werden, bei denen man das Fahrzeugkennzeichen eingibt und Anwohner nach Abgleich mit einer Datenbank stark vergünstigt oder kostenlos parken können. Zum Vergleich: In Amsterdam gibt es 3.644 solche Parkautomaten, in Frankfurt gerade mal 319, die veraltet sind. Gerade in Stadtteilen wie z.B. Niederrad mit einem starken Parkdruck von Pendlern, Stadionbesucherinnen und Flugreisenden könnte dies über den Preis eine Entlastung schaffen. Für Umzüge, Handwerker, Ärzte und andere Personen werden Ausnahmegenehmigungen erteilt. Für BesucherInnen erhalten alle EinwohnerInnen eine Anzahl Coupons.
    6. Vor Einführung dieser Änderungen werden in den jeweiligen Stadtteilen die Ortsbeiräte sowie die Bürgerinnen und Bürger angemessen beteiligt und befragt.
       
  2. Parken auf der Straße:
    1. Parken auf der Straße wird leicht teurer als im Parkhaus, um den Suchverkehr zu reduzieren.
    2. Parkgebühren werden zeitlich gestaffelt: Kurzes Parken vor Geschäften ist günstig (z.B. 20:20, 20 Minuten für 20 Cent; in Antwerpen sind die ersten 10 Minuten bei Zahlung per SMS oder Pay-by-Phone kostenlos), längeres Parken wird proportional leicht teurer. Tagsüber ist das Parken teurer als nachts.
    3. Tagsüber wird die Höchstparkdauer in der Innenstadt und in Einkaufsstraßen wie bisher auf 2-4 Stunden begrenzt, um eine höhere Kundenfluktuation zu ermöglichen.
    4. Parkgebühren werden räumlich gestaffelt: zentrale Parkplätze sind deutlich teurer als dezentrale. In Amsterdam reichen die Gebühren beispielsweise von 90 Cent in der Peripherie bis 5 Euro pro Stunde im Zentrum. Dabei sollten die Gebühren wie in München sehr feinteilig nach Wohnblöcken angepasst werden.
    5. Installation von Smart Meters: sie registrieren per Magnetfeld, wenn ein Auto geparkt wird und informieren den Parkenden per SMS und die Polizei, wenn die Parkzeit überschritten ist.
    6. Bargeldloses Bezahlen: Moderne Parkautomaten verzichten mehr und mehr auf Bargeld. Dadurch werden Manipulationen am Münzeinwurf seltener, durch die in Frankfurt jährlich Schäden in fünfstelliger Höhe entstehen (siehe F 393/2012). Alternative Zahlmethoden bestehen mit Kreditkarten, Geldkarten oder per SMS. Durch die neuen Zahlmethoden wird es möglich, auch größere Beträge einzuziehen, z.B. für 24-Stunden-Parken in dezentralen Stadtteilen.
    7. Bezahlung per Telefon: Pay-by-Phone bieten zahlreiche Dienstleister an, sie bekommen dafür in verschiedenen Städten 3-10% des Umsatzes. Zum Bezahlen per Telefon reicht schon das Aufstellen eines Schildes mit einer Telefonnummer darauf, was deutlich günstiger im Unterhalt ist als ein Parkautomat.
    8. Qualitätskontrolle: Zielvorgaben für Parkkontrollen umfassen eine Anzahl zu kontrollierender Parkplätze pro Schicht. Der Erfolg wird nicht gemessen an den verteilten Strafzetteln, sondern am Prozentsatz der korrekt geparkten Fahrzeuge. Mit GPS-unterstützten Handgeräten können s.g. Heatmaps erstellt werden, so dass die Kontrollfrequenz in Problemzonen intensiviert werden kann.
    9. Scan-Fahrzeuge: In Amsterdam werden Scan-Fahrzeuge eingesetzt, die den ruhenden Verkehr mit 40 km/h abfahren und mit 160 Scans pro Sekunde Nummernschilder automatisch erfassen. Nach-folgende Hilfspolizisten auf Vespas verteilen die Strafzettel, wodurch eine hohe Effizienz erreicht wird. Hier ist die rechtliche Situation in Hessen zu prüfen, insbesondere die des Datenschutzes unter Berücksichtigung des anhängigen Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht.
    10. Für Car-Sharing werden Parkplätze auf der Straße reserviert.
       
  3. Parkhäuser:
    1. Fixierung einer maximalen Anzahl an innerstädtischen Parkplätzen: Menschen brauchen nicht das Auto, um in die Innenstadt zu gelangen. Kommen neue Parkplätze in Parkhäusern hinzu, werden dafür Parkplätze im Straßenraum entfernt. Der freiwerdende Raum wird umgenutzt, beispielsweise für Fußgängerzonen, Spielstraßen, Radwege, Gehwegnasen, Abstellplätze für Fahrräder, Cafés, Baumpflanzungen oder für Sitzgelegenheiten.
    2. Die in der Stellplatzeinschränkungssatzung festgeschriebenen Höchstgrenzen für Parkplätze in Neubauten werden gekoppelt an die Nähe zur nächsten Bahnstation. In Paris beispielsweise sind Neubauten von Parkhäusern im Umkreis von 500 Metern einer Metro-Station verboten, in Kopenhagen und Straßburg reduziert. Dort gibt es auch Bedingungen, dass vor dem Bau von neuen Parkplätzen zunächst nach freien Plätzen in Parkhäusern der Umgebung gesucht werden muss, auch in privaten. Die städtische Parkbehörde hilft dort bei der Suche.
    3. Zentrale Vermittlung von Parkplätzen in privaten Garagen und Parkhäusern über eine Online-Plattform.
    4. Bereitstellung eines Mustervertrages für die Vermietung von Parkplätzen in privaten Garagen und Parkhäusern.
    5. Nicht-städtische Parkhausbetreiber erhalten eine Konzession für die Erhebung von Parkgebühren.
    6. Beteiligung von Anwohnern bei der Finanzierung von Quartiersgaragen: In Barcelona können Anwohner einen Parkhausplatz für 50 Jahre pachten oder aber monatlich mieten. Monatliche Mietpreise für Pendler liegen höher als für Anwohner.
    7. Einführung einer Steuer auf Firmenparkplätze: Um Fahrten mit dem Auto zum Arbeitsplatz zu vermeiden und Alternativen zu fördern, wird seit 2012 in Nottingham und anderen britischen Städten eine Steuer auf Firmenparkplätze von Unternehmen mit mehr als zehn Parkplätzen von jährlich bis zu jeweils £ 250 erhoben. Wenn es hierzu eine Rechtsgrundlage in Hessen gibt, wäre das eine mögliche Kompensation für die entfallene Stellplatzablöse.
       
  4. Park & Ride

    Koppelung von gebührenpflichtigem P&R mit einer 24-Stunden-Gruppenkarte: in Amsterdam kostet das Parken auf P&R-Plätzen € 8, dafür gibt es ein kostenloses 24-Stunden Gruppenticket für zwei Personen dazu oder ein stadteigenes Mietfahrrad für einen Tag.

  5. Verwendung der Gewinne:

    Gewinne sollten wie in vielen europäischen Städten z.B. für eine Subventionierung des ÖPNV verwendet werden, dessen Ausbau oder den Ausbau des Fußweg- und Radwegenetzes, was eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung findet. In Kensington und Chelsea gehen 12% des Gewinns in die Finanzierung des „Freedom Pass“, einem Programm, das dort älteren (60+) und behinderten Menschen eine kostenlose Nutzung des ÖPNV ermöglicht. In Barcelona werden 100% der Parkgebühren für das städtische Bike-Sharing-Programm verwendet.

[1] Europe’s Parking U-Turn, http://www.itdp.org/documents/European_Parking_U-Turn.pdf
[2] A Breath of Fresh Air, http://www.sospraha.cz/ovzdusi/BreathOfFreshAir11-2002.pdf

Antragsteller:

Stv. Martin Kliehm
Stv. Herbert Förster
Stv. Luigi Brillante

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Comments

3 Antworten zu Effiziente Parkraumbewirtschaftung, weniger Verkehr

  1. Gerhard Vornhold sagt:

    1) Den Parkplatzsuchverkehr kann man von 50% auch reduzieren, indem man die maximal mögliche Nutzung öffentlichen Raums als Parkraum ausweist. Dann findet jeder sehr viel schneller einen Parkplatz.

    2) Weshalb muß sich eine Stadtverwaltung anmaßen, die Bürger zu bevormunden? Was ist der Sinn einer gezielten Behinderung / Verhinderung von KFZ-Verkehr?

    3) Maßnahmen, die der optimalen Steuerung des Verkehrsflusses innerhalb einer Stadt dienen, sind im Gegensatz zur Behinderung des Verkehrs, die eigentliche Flge der bisherigen Verkehrslenkungsversuche in Frankfurt, eine progressiv bürgerfreundliche Maßnahme, die gleichzietig dem Umweltschutz (Abgasvermeidung, Treibstoffersparnis durch geringere Zahl von Brems-/Beschleuigungsvorgängen) dient. Bespiele: grüne Welle auf den Hauptverkehrsadern, optimiertes Raster von Einbahnstraßen in jeweils abwechselnde Richtungen, Rücknahme der Zweirichtungsfreigabe von Einbahnstraßen, Freigabe sämtlicher Strassen für 50 KM/h.

    4) Wenn in anderen Ländern und Städten der Welt irgendwelche profilneurotische Verkehrspolitiker auf „windigen“ Umfragen und Studien basierenden Verkehrsblödsinn praktizieren, sollte dies kein Anreiz für Frankfurt sein, den gleichen Blödsinn umzusetzen.

    Bei allen „windigen“ Behauptungen es gehe nur ums Bürgerwohl wird in allen Fällen unterschlagen, dass es überall „Privilegierte“ gibt und zu dieser Gruppe der „Geldadel“ gehört und die Mitglieder der jeweiligen Verwaltungen, die es ihren eigenen Angehörigen nicht zumuten will, sich an diejenigen Regeln zu halten, die sie den Bürgern aufzwingen.

    Sowohl in Amsterdam als auch in London gibt es „Clubs / Genossenschaften“ (z.B. mutual traffic solution .LTD) , die permanent Minibusse durch die Stadt schicken. Clubmitglieder haben so quasi immer ein Fahrzeug auf Abruf zur Verfügung, können aber unter sich und viel sicherer als mit dem vor kriminellen Elementen ungeschützten örtlichen ÖPNV Angebot in der Stadt unterwegs sein. So trägt eine bürgerfeindliche Verkehrspolitik, die auf Einnahmenmaximierung der Verwaltung abzielt zur Spaltung der Gesellschaft bei.

    Der vorgelegte Prüfungsantrag scheint in eine ähliche Richtung zu deuten. Er ist in diesem Sinne in seiner Wirkung nicht zu Ende gedacht und man sollte die Stadtverwaltung mit der Prüfung und dem Bericht zu solch negativen Vorschlägen nicht belasten. Sowas war in der Frühzeit der Grünen mal üblich, über solche Kindereien sollte man jetzt in der politischen Diskussion aber schon hinausgewachsen sein.

    Die Verhinderung sozialer Kontakte wie gegenseitiger Besuche innerhalb der Stadt, die durch das Anwohnerparken ausgelöst bzw. bewirkt wird, wäre es wert mal untersucht zu werden! Es ist ja mittlerweile fast preigünstiger, übers Wochenende nach Mallorca zu fliegen, als die Strafzettel dafür zu zahlen, dass man eine Freundin in einem anderen Anwohnerparkbezirk besucht hat und dort für zwei Tage Parkstrafen zu zahlen hat. Oder man beschränkt die sozialen Kontakte gleich offiziell auf Video-Telefonie á la Skype!

  2. Martin Kliehm sagt:

    Lieber Gerhard Vornhold,

    danke für die Beteiligung an der Diskussion. Ich möchte kurz antworten:

    zu 1) Wenn wir jeden freien Quadratzentimeter in Parkplätze umwandeln, sinkt die Lebensqualität. Ich möchte nicht auf einem großen Parkplatz wohnen, ich möchte in einer schönen Stadt wohnen. Ich fürchte, Ihre Anregung findet keine Mehrheit in der Bevölkerung.

    zu 2) Der Sinn einer Verkehrspolitik ist es, Transportmittel, die der Allgemeinheit schaden, zu reduzieren, und solche, die ihr nicht schaden, zu fördern. Insofern ist zu Fuß gehen, Radfahren und der öffentliche Nahverkehr besser und gesünder. Es muss nicht jeder mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Das gibt schlechte Luft, Staus, und wir haben auch gar nicht Platz für so viele Autos. Stattdessen haben wir ein sehr gutes Bahnnetz, das allerdings noch zu teuer ist (siehe unten).

    zu 3) Einen zentralen Verkehrsrechner mit grüner Welle bei Tempo 50 gibt es bereits, aber Tatsache ist auch, dass neue Straßen immer auch zu einer Zunahme der Fahrzeuge führten. Der Autoverkehr kann, ebenso wie der Flugverkehr, nicht unbegrenzt wachsen.

    zu 4) Ich finde die angesprochenen Maßnahmen durchaus sinnvoll, sie haben sich in den anderen Städten schon lange als wirkungsvoll erwiesen. Die Studie ist übrigens von einem amerikanischen Institut, das Europa als Vorbild nimmt. Die Situation in den USA ist sicherlich noch extremer, was die Ausrichtung auf das Auto angeht.

    Am Ende werden Sie leider etwas zynisch, aber ich habe dargelegt, dass zwar an manchen Stellen die Einnahmen steigen werden, dass diese aber u.a. zurück in den Ausbau des Radwegenetzes und in den ÖPNV fließen oder dazu dienen sollen, die Fahrpreise im RMV zu reduzieren. Auch die Erfolge der Parkkontrolleure sollen nicht an der Anzahl der Knöllchen gemessen werden, sondern an den richtig geparkten Fahrzeugen. Es geht also nicht um „Abzocke“, sondern die Stadt soll ihre Einnahmen wieder investieren, damit alle Einwohnerinnen und Einwohner davon profitieren.

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