Kontext: Wortprotokoll über die 25. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, den 21. Juni 2018 (16.00 Uhr bis 0:57 Uhr), TOP 10, Frankfurt wird sicherer Hafen.
Stadtverordneter Martin Kliehm, Fraktion DIE LINKE. im Römer:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Professor Birkenfeld!
Sie haben eigentlich das gesagt, was ich erwartet habe, und entsprechend ist unser Antrag auch formuliert. Ich möchte es einmal so formulieren: Peter Feldmann sagte in einem Interview: Wer Menschen vor dem Ertrinken rettet, ist kein Krimineller, sondern handelt im Sinne der Menschlichkeit. Das passt gut zu Frankfurt, denn auch hier sind Internationalität und Menschlichkeit zu Hause.
Darum haben wir das auch in unserem Antrag zitiert. Das sieht die Koalition aber offenbar anders als Peter Feldmann, denn sie lehnt unseren Antrag „Frankfurt wird sicherer Hafen“ kategorisch ab.
(Zurufe)
Ich habe Ihre Zahlen vorausgesehen und kenne sie. Ich lese Zeitung. Sie sagen, zehn Menschen pro Woche werden vom Land zugewiesen anstelle von 15. Sie haben eine Stundung erreicht, weil Sie händeringend nach Unterkünften suchen und ich bin Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür auch sehr dankbar. Sie sagten auch, tatsächlich sind es 20 Neuzugänge pro Woche, 80 im Monat, auch durch Familienzuzug und Geburten. Was Sie damit auch sagen, ist: das Boot ist voll
. Das kennen wir von anderen Kampagnen. Weil die Politik versagt hat, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, nicht nur für Geflüchtete, sollen Menschen im Mittelmeer ertrinken.
(Beifall)
Ich sage Ihnen, in einer Notunterkunft zu wohnen, ist tausendmal besser als tagelang an Deck von Rettungsschiffen der italienischen Küstenwache unter schlimmen hygienischen Verhältnissen bei Wind und Wetter ausgesetzt zu sein oder, wie manche sagen: pull-back nach Libyen in die Folterlager! Es ist tausendmal besser als an Bord von diesen Schiffen tagelang ausharren zu müssen, nicht zu wissen, was passiert, weil eine faschistische Regierung in Italien, und das ist nun wirklich gerechtfertigt, die so zu nennen, sie nicht an Land lassen möchte!
Schon Mitte Juli hatte Italien zwei Marineschiffen mit 450 Geretteten verweigert, in Häfen anzulegen, bis sich neun europäische Staaten verpflichteten, je 50 Menschen aufzunehmen. Deutschland hat 50 von diesen 450 Menschen an Bord der beiden Marineschiffe aufgenommen. Wie viele von diesen 50 Menschen werden wohl in Frankfurt landen?
Da sollte Ihnen die Formulierung in unserem Antrag auffallen, dass wir nämlich keine Zahl genannt haben. Wir hätten schreiben können, Frankfurt nimmt 100 oder 200 Menschen auf. Wir haben keine Zahl genannt. Es ist eine solidarische Geste, aber selbst diese Geste verweigern Sie. Zig andere europäische Städte in Deutschland, unter anderem Berlin, Leipzig, Düsseldorf, Köln, Bonn und München – München ist ja nun wahrlich nicht für seine unangespannte Wohnraumsituation bekannt -, sind diesem Netzwerk beigetreten und haben sich zu sicheren Häfen erklärt. Frankfurt ist dazu offenbar nicht in der Lage. Diese Städte appellieren an die Bundesregierung, aus Seenot gerettete Menschen in ihren Städten aufzunehmen, denn wer sonst soll es machen außer die Städte?
(Beifall)
Das ist der zweite Punkt unseres Antrags. Der erste Punkt ist, diese Städte bilden ein Netzwerk, Eurocities, bei dem die Stadt Frankfurt bereits Mitglied ist, und im Rahmen von Solidarity Cities, wo Frankfurt nach unserem Antrag Mitglied werden soll, eine Plattform zum Erfahrungsaustausch, zum Beispiel zur Integration oder zu Sprachkursen. Da treffen sich Menschen aus Sozialdezernaten aus Athen, aus Barcelona und aus Brüssel und tauschen ihre Erfahrungen aus. Auch diesen Punkt des Antrags lehnen Sie ab. Der dritte Punkt besagt, alle nötigen Vorkehrungen für die Aufnahme, die Unterbringung und den Aufenthalt sichernde Maßnahmen sind zu treffen. Natürlich sagen Sie dann, das geht ja gar nicht, da müssen Gesetze oder das Dublin-Abkommen geändert werden.
Peter Feldmann sagt, Politik sollte Lösungen suchen, statt nur Argumente zu sammeln, warum etwas nicht geht. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel.
(Zurufe)
In Anlehnung an den Bürgermeister von Palermo sage ich auf die Frage, wie viele Migranten nach Frankfurt gekommen sind: Keiner. Wer nach Frankfurt kommt, wird Frankfurterin oder Frankfurter!
(Beifall)