Frankfurter Kulturpolitik

Zugehörige Vorlagen: Antrag NR 797/2014 (CDU/Grüne)

Kontext: Wortprotokoll über die 30. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, den 3. April 2014 (16.01 Uhr bis 22.36 Uhr), TOP 6, Beschlussfassung in geheimer Abstimmung über die Belassung des hauptamtlichen Mitglieds des Magistrats, Herrn Stadtrat Prof. Dr. Felix Semmelroth, in seinem Amt

Stadtverordneter Martin Kliehm, ELF Piraten:

Ich glaube, das Durchschnittsalter unserer Fraktion ist das geringste im gesamten Stadtparlament.

(Zurufe)

Ich möchte eigentlich über etwas ganz anderes reden. Es geht letztlich nicht um die Person Semmelroth, sondern um die Kulturpolitik in Frankfurt. Sie haben anlässlich dieser Debatte fast alle dieses Thema aufgegriffen. Was ich dabei nicht verstehe oder als Schönfärberei bezeichne ist, dass Sie das Kind nicht beim Namen nennen. Sie sagen, dass Sie Einsparbemühungen haben. Sie bemühen sich einzusparen, aber sagen Sie doch einfach, dass Sie Kürzungen und Streichungen im Kulturbetrieb machen. Streichungen bis runter zum existenzbedrohlichen Minimum, darüber reden wir letztlich. Das ist auch die Kritik an dieser Koalition, die nun leider Herr Semmelroth ausbaden muss. Sie reden von einigen Leuchtturmprojekten. Dann wird die Oper genannt und dass Herr Reese als Intendant gewonnen werden konnte, aber das Problem in dieser Stadt ist doch nicht, dass wir so eine großartige Oper haben, sondern das Problem ist, wie überall in Deutschland, die Selbstausbeutung der Künstlerinnen und Künstler.

Wir haben in allen Bereichen in der freien Kultur prekäre Umstände, bei den freien Theatern, bei der Bildenden Kunst aber noch mehr. Wir haben für die freie Bildende Kunst ein Budget von 80.000 Euro. Das ist lächerlich. Was wir eigentlich tun müssten wäre, die Mittel zu erhöhen und sie nicht noch weiter zusammenzustreichen. Das Papier von Kulturdezernent Semmelroth wurde mehrfach zitiert, worin er auch gesagt hat, dass Kultur einfach auch einen bildenden Auftrag darstellt und mehr für diese Stadt zu tun hat, als dass man das in Zuschusspreise pro Opernticket umrechnen könnte. Insgesamt hat Kultur eine gesellschaftliche Wirkung, deswegen ist sie auch so wichtig. Wenn Sie in dem Papier von Herrn Semmelroth einmal zwischen den Zeilen gelesen haben, ist überschrieben, dass Kultur nur eine freiwillige Leistung ist. Das impliziert im Gegensatz, dass Kultur auch eine pflichtige Leistung oder wie in Sachsen eine Pflichtleistung sein kann, denn dort hat Kultur Verfassungsrang. Genau das ist es, was wir auch in Hessen bräuchten. Dann würden wir ganz anders dastehen.

(Beifall)

Weswegen wir Kultur brauchen: Wir hatten zum Beispiel im letzten Etat einen Antrag „Kultur für Alle“, um den Eintritt für das Museum für Moderne Kunst kostenlos zu gestalten. Kultur hat einen Bildungsauftrag. Wir haben in Frankfurt 15,2 Prozent der Bevölkerung, die an der Armutsgrenze leben. Das sind 106.400 Menschen, wenn man von 700.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ausgeht. Von diesen 106.4000 besitzen 6.400 einen Kulturpass. Wir haben eine Versorgungslücke an Kultur von 100.000 Menschen in dieser Stadt. Deswegen kann es nicht sein, dass wir Kulturmittel immer weiter streichen und deshalb müssen wir uns überlegen, wie wir diese 100.000 Menschen besser an Kultur heranbringen.

Das wäre zum Beispiel durch eine Senkung der Eintrittspreise möglich. Der Kulturdezernent agiert da schon richtig, denn er weigert sich, Einsparungen vorzunehmen beziehungsweise er sagt, dass man diese sukzessive angehen muss. Das heißt, man schiebt es auf die lange Bank. Natürlich haben wir Verpflichtungen als Stadt. Das ist vielleicht ein bisschen anders als im Sozialbereich. Wir haben alleine fast 1.000 Menschen, die bei Oper und Schauspiel arbeiten. Die können wir jetzt nicht von heute auf morgen auf die Straße setzen. Da sind langjährige Verpflichtungen, auch gegenüber den Theatern, den freien Theatern, die langjährig ihre Spielpläne planen und von daher auf eine bestimmte Konstanz der Förderung angewiesen sind.

Das werden wir im Rahmen der neuen Förderrichtlinien für freie Theater, die jetzt endlich vorliegen, noch ausführlicher debattieren, nach fast einem Jahr. Was schon ein Fortschritt ist. Bei diesen Förderrichtlinien müssen wir noch mehr Transparenz reinbringen. Es ist noch nicht transparent, wie so eine Jury besetzt ist. Die Entscheidungen müssen veröffentlicht werden, wie es beispielsweise in Dresden gemacht wird, sodass also nicht wie beim Club Voltaire der Ruf entsteht, dass das Entscheidungen nach Gutsherrenart sind, wer jetzt gefördert wird und wer nicht, sondern die Entscheidungen müssen einfach auch veröffentlicht werden.

(Beifall)

Herr zu Löwenstein, Sie sagten vorhin, die Arbeit des Kulturdezernenten zeichnet sich durch Geräuschlosigkeit aus. Also, wenn ich da die Kollegen der Piraten-Fraktion in Berlin zitieren darf, die sagten: „Geräuschlos arbeitet die Mafia, aber doch hoffentlich nicht der Magistrat“, denn geräuschlos war es beileibe nicht. Wenn wir die Proteste gehört haben, wo es um die Streichung der Mittel bei den freien Theatern ging, das war alles andere als geräuschlos. Ich betrachte auch Herrn Professor Dr. Semmelroth jetzt nicht, wie Sie es dargestellt haben, als Muse der freien Kultur in Frankfurt. Er ist ein Intellektueller und ist dort insofern gut vernetzt, aber die Musen sind woanders zu suchen.

Letztlich möchte ich auf den Schlusssatz von Herrn Semmelroth in seinem Kulturpapier zurückkommen. Kultur ist nur eine freiwillige Leistung. Dies müssen wir letztlich ändern, ob mit diesem Dezernent oder einem anderen. Wir müssen mehr Mittel in den Haushalt einstellen, für die Kultur, und nicht nur für die Kultur, auch für andere Bereiche und da kommen Sie einfach nicht umhin, irgendwann einmal die Einnahmen zu erhöhen.

Vielen Dank!

(Beifall)

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