Modellversuch Cannabisvergabe

Kontext: Wortprotokoll über die 38. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, den 29. Januar 2015 (16:00 Uhr bis 21:56 Uhr), TOP 8, Modellversuch Cannabisvergabe

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich danke Ihnen erst einmal für Ihr Interesse, denn bei dieser Fachtagung zu Cannabis war die Stadtverordnetenversammlung fast in Ausschussstärke vertreten. Ich habe dort 16 Stadtverordnete gezählt. So viele habe ich, glaube ich, auf keiner anderen Konferenz gesehen und tatsächlich auch von fast allen Fraktionen.

Von der CDU wird entgegen dem, was wir auf dieser Konferenz erfahren haben, immer wieder der Jugendschutz als das zentrale Element angeführt, das wir zu beachten haben. Das halte ich auch für sehr ehrenwert. Aber, wie die Dezernentin Heilig auf der Konferenz schon gesagt hat, hat offenbar das Betäubungsmittelgesetz als Instrument, um den Cannabiskonsum zu reduzieren, versagt. Dem müssen wir uns stellen. Sie haben das selbst gesagt.

Diese Zahlen von 42 Prozent, die schon einmal Cannabis konsumiert haben, 20 Prozent im letzten Monat, das sind fast so viele wie die 25 Prozent der 13- bis 18 Jährigen, die rauchen. Ich könnte mir vorstellen, dass, ähnlich wie beim Nikotinkonsum, auch dort ein Zusammenhang mit dem Bildungsniveau besteht. Bei den Raucherinnen und Rauchern haben wir zum Beispiel bei den Haupt- und Realschülern fast 40 Prozent, die rauchen, bei den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten hingegen sind es wesentlich weniger.

Dort greift, was wir von Herrn Professor Böllinger auf der Konferenz gehört haben. Die momentane Gesetzeslage ist durchaus dazu geeignet, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren, denn hierbei handelt es sich um ein Kontrolldelikt. Es gibt also keine Stichproben, sondern es finden Kontrollen statt. Da werden natürlich benachteiligte Gruppen, besonders mit Migrationshintergrund – Sie kennen das Stichwort Racial Profiling – öfter kontrolliert als andere und dabei fällt es eben dann auch häufiger auf. Herr Professor Böllinger hat das Cannabisverbot zusammen mit seinen 120 Kollegen außerdem als verfassungswidrig eingestuft. Das ist auch ein opferloses Delikt und es betrifft nur die Betroffenen selbst. Er hält das Verbot für ein ungeeignetes, ungeprüftes und vor allem unverhältnismäßiges Instrument.

Warum sagt er das? Hier mache ich einen kleinen Exkurs zum Gewerbeverein im Bahnhofsviertel, dessen Vorsitzender sagt – den ich nun eher dem konservativen Lager zuordnen würde -, das einzige was gegen die Dealer in der Taunusstraße helfen würde, wäre den Markt zu zerstören, und dazu gehört definitiv die Entkriminalisierung von Cannabis. Denn, Frau David, Sie haben gesagt, Cannabis wäre eine Einstiegsdroge. Klar, wenn Sie zu irgendeinem Dealer gehen müssten, der Ihnen nebenbei dann auch andere Drogen anbieten kann, dann kann das natürlich eine Einstiegsdroge sein.

Deswegen würde für mich neben dem Jugendschutz – und das hat noch niemand gesagt – auch der Verbraucherschutz im Vordergrund stehen. Wir haben es in den USA, in Colorado gesehen sowie in Portugal, wo seit 15 Jahren Drogen entkriminalisiert sind. Dort findet der Konsum viel kontrollierter und aufgeklärter statt und insgesamt gehen die Zahlen zurück. Es besteht auch die Möglichkeit, über Vaporizer ganz kontrolliert Dosen abzugeben, das heißt also, nicht aus Versehen zu viel konsumieren. Davon abgesehen, das würde vielleicht die CDU interessieren: Durch die Legalisierung von Cannabis in den USA wird allein auf dem Vaporizer-Markt von einem Umsatz von ungefähr 10 Milliarden Dollar ausgegangen. Die Wirtschaft kann also davon auch wiederum profitieren.

Was letztlich verhindert, dass auch über einen Konsum von Schülerinnen und Schülern gesprochen werden kann, ist die Illegalität. Voraussetzungen für eine pädagogische Aufklärung wäre Akzeptanz, Respekt und Glaubwürdigkeit von denjenigen, die das tun, Stichwort Peergroup. Aber wenn die Illegalität im Raum steht, wird sich niemand outen. Wir haben das auch auf der Konferenz gehört. Dort hat einer der Professoren gesagt, dass erst nach einer Freigabe in der Schule und in der Familie auch offen über den Konsum gesprochen werden kann. Davor wird sich niemand outen.

Die Expertinnen und Experten aus allen Bereichen wie Recht, Medizin und aus Suchtbereichen waren sich auf der Konferenz einig, dass der einzige Weg die Entkriminalisierung wäre, und diese längst überfällig ist. Wir sollten das auch in Frankfurt nicht weiter hinauszögern. Wenn ich Ihren Koalitionsvertrag richtig kenne, steht darin, dass, wenn sich Schwarz-Grün nicht grün sind, sie sich immerhin enthalten können. Ich denke, der einzige Weg wäre tatsächlich, die Entkriminalisierung vorwärts zu treiben, um die dort freiwerdenden Ressourcen letztlich auch in Aufklärung statt Bestrafung zu stecken. Wir sehen das bereits in anderen Ländern. Der Konsum sinkt letztlich auch bei den Jugendlichen. Deswegen ist mein Appell eigentlich nur der: Gebt das Hanf frei!

(Beifall)

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