Kontext: Wortprotokoll über die 14. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, den 1. Juni 2017 (16.01 Uhr bis 22.03 Uhr), TOP 3, Aktuelle Stunde zur Situation im Bahnhofsviertel
Stadtverordneter Martin Kliehm, Fraktion DIE LINKE. im Römer:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher!
Frau Busch, Sie mussten gerade selbst lachen, als Sie die ordnende Kraft der Sozialdemokratie erwähnt haben.
(Beifall)
Ich glaube, daran glaubt hier niemand und die LINKE. seit dem Tod von Rosa Luxemburg noch am wenigsten.
(Beifall, Zurufe)
Herr Stadtrat Majer hat vor allem die historische Komponente beleuchtet. Der Frankfurter Weg ist tatsächlich erfolgreich. Die Anzahl der Drogentoten ist in den letzten 25 Jahren massiv heruntergegangen. Ich habe das selbst noch erlebt, da ich in den Achtzigerjahren im Rettungsdienst tätig war. Wir sind jede Nacht mehrmals in die Taunusanlage gefahren. Wenn wir bei dem einen mit der Reanimation fertig waren, sind wir zum Nächsten gegangen. Das hat sich in den letzten Jahren massiv gebessert. Von daher ist der Frankfurter Weg erfolgreich. Sie müssen da aber nicht Hamburg als Vergleich bemühen, sondern können zum Beispiel Berlin nehmen. Obwohl Berlin größer ist, ist die Drogenszene in Berlin ungefähr vergleichbar groß wie in Frankfurt, aber sie haben wesentlich mehr Drogentote. Herr Reschke, als ehemaliger Polizist müssen Sie eigentlich wissen, dass so etwas…
(Zurufe)
… – von mir aus auch das – wie eine Dunkelziffer totaler Quatsch ist, denn jede ungeklärte Todesursache führt zu einer Obduktion, bei der regelmäßig auf Drogen getestet wird. Ich glaube nicht, dass wir in diesem Bereich eine Dunkelziffer haben.
Tatsächlich handelt es sich bei dem Phänomen Crack um etwas ganz anderes als bei Heroin. Herr Majer hat es gerade gesagt, aber auch die GRÜNEN haben in Berlin so ihre Expertise. Tatsächlich sterben weniger Menschen durch Crack. In einer Langzeitstudie in den USA waren es etwa zehn Prozent, die im Laufe der Jahre gestorben sind, aber selten durch eine akute Überdosis, wenn man einmal Whitney Houston ausnimmt. Tatsächlich stehen dort die Aggressivität und die psychischen Probleme im Vordergrund. Die Kolleginnen und Kollegen haben es erwähnt, dass im Gegensatz zu Heroin eben keine lange Wirkung eintritt, sondern nur eine kurze. Deswegen vertreten wir auch die Meinung, dass wir dort neue Wege gehen müssen.
(Zurufe)
Herr Majer hat es schon angesprochen, es gibt bereits die Rauchräume und es gibt Crack‑Konsum in den Drogenhilfeeinrichtungen, das ist auch sehr gut so. Wir müssen aber auch über eine Erweiterung der Öffnungszeiten sprechen. Es kann nicht angehen, dass die Einrichtungen von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr geschlossen sind. Auch nachts muss dort eine Ansprechmöglichkeit bestehen. Wir müssen Ausstiegsszenarien entwickeln und auch eine andere Form der Nutzung in den bestehenden Konsumräumen. Es gibt eine sehr empfehlenswerte Dokumentation, die zum Beispiel aussagt, dass das Auskratzen von Crack-Pfeifen in Konsumräumen verboten ist. Diese Menschen landen am Ende auf der Straße, die müssen wir auffangen.
Aufsuchende Arbeit ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig und auch, die Dealer zu bekämpfen. Aber wir können das …
Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:
Herr Kliehm, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:
(fortfahrend)
… letzter Satz, nicht nur ordnungspolitisch angehen, wir müssen populistische Forderungen zurückweisen, diese Menschen entkriminalisieren und ihnen Angebote machen.
Vielen Dank!
(Beifall)