Kontext: Wortprotokoll über die 46. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, den 2. Juli 2020 (16.03 Uhr bis 23.15 Uhr), TOP 3, 42. Fragestunde und TOP 6, „Sperrung Mainkai“.
Stadtverordneter Martin Kliehm, Fraktion DIE LINKE. im Römer:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Jetzt haben schon viele erwähnt, dass aus Darmstadt oder aus dem Verkehrsministerium dieser Verkehrsversuch für ein Jahr begrenzt werden soll oder das gesagt wird, länger als ein Jahr geht ein Verkehrsversuch aus städteplanerischen Gründen nicht. Wolfgang Siefert sagte, hier ist das Formular, wir können verlängern. Wir haben eine parlamentarische Mehrheit hier in diesem Haus. Außer der CDU möchte niemand den Mainkai für Autos wieder öffnen. Wir haben diese Mehrheit – also der relevanten Parteien.
(Beifall)
Wir haben eine Mehrheit, wir können das Formular ausfüllen, und wir können einen Beschluss fassen, dass der Mainkai dauerhaft gesperrt bleiben soll. Er wird, im Gegensatz zu dem, was die CDU gesagt hat, heutzutage stark genutzt. Fast jedes Wochenende sind dort Veranstaltungen, Kinderradfahren, es sind Nutzungen von diesem Raum. Dass es immer noch so trist aussieht, ist eben auch Teil der Schuld der CDU, die sich vehement dagegen gewehrt hat, dass dieser Raum begrünt und lebenswert gemacht wird. Paris wurde angesprochen. Dort wurde erkannt, dass es nur geht, wenn man den Verkehr reduziert und gleichzeitig den Lebensraum für alle aufwertet. Genau das vermisse ich bei Klaus Oesterling, aber auch bei dem Konzept der CDU. Dort wurde der Verkehr reduziert, aber der Lebensraum wurde nicht aufgewertet. Das ist für diese Räume aber essenziell.
Wir haben inzwischen Initiativen für einen autofreien Mainkai. Die Initiativen aus Sachsenhausen sind inzwischen komplett verstummt, und sie kommen auch nicht mehr in den Ausschuss. Selbst die CDU hat in ihrem Verkehrskonzept erkannt, dass man etwas dagegen tun muss, dass mehr und mehr Frankfurter Haushalte sich überlegen, ein Auto anzuschaffen. Dem muss man entgegensteuern, und das macht man nicht, indem man mehr Straßen baut. Das heißt, was wir erreichen müssen ist, dass wir eine Stadt der kurzen Wege haben, wie das die LINKEN. seit Jahren im Programm stehen haben. In Paris wird es „die Stadt der 15 Minuten“ genannt, dass alles erreicht werden kann, was man im Alltag braucht, fußläufig oder mit dem Fahrrad. Was wir dazu brauchen, ist als ersten Schritt, den Mainkai dauerhaft zu sperren.
Wir werden einen Antrag dafür schreiben, dann wird der Mainkai am 1. September für die Autos wieder geöffnet, und wenn wir es beschließen, wird er am 4. September wieder geschlossen.
Danke!
(fortfahrend später zu TOP 6, „Sperrung Mainkai“)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Stammwitz, ich verrate Ihnen einmal eines: Eine künstliche Intelligenz von Ampeln kann die mangelnde Intelligenz von Autofahrern leider nicht ausgleichen.
(Beifall)
Das ist so typisch, wir haben ein Problem, ein gesellschaftliches, ein Umweltproblem und dann kommen so Technokraten und glauben, sie hätten hier eine Lösung, wir brauchen nur ein paar Computer und das löst sich alles in Luft auf. Nein, die Gesellschaft muss sich ändern. Ich dachte schon, als Herr Kößler hier stand und sagte, wir müssen einmal auf die Initiativen von draußen hören, er meint „Mainkai für alle“. Das ist eine sehr starke Initiative, aber nein, dann kommt er mit der IHK und der Handwerkskammer, die bekannt sind aus solchen Hits wie IHK will keine Radfahrer auf Hauptstraßen oder ein anderer Vorschlag von ihnen war, Parkgebühren zu senken, damit Kunden ihre Geschäfte mit dem Auto erledigen können. Ich bin immer wieder sprachlos wegen des Aufschreis über die Pläne zur sogenannten autofreien Innenstadt, als wäre der Boden außerhalb eines Autos Lava und man würde beim Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Radfahren und Spazierengehen sofort in Flammen aufgehen. Das ist nicht der Fall. Das kann ich auch der IHK und der Handwerkskammer versichern.
Die CDU hat vor ein paar Tagen ein vierseitiges Konzept vorgestellt, da ist nicht viel zu lesen, wo sie wortgleich mit den GRÜNEN – habt ihr euch da abgesprochen? – von einer autoarmen Innenstadt reden. Liebe GRÜNE, es würde mir schon zu denken geben, wenn ich von Mike Josef getoppt werde, der von einer autofreien Innenstadt wagt zu reden. Bei der Vorstellung von diesem Verkehrskonzept rudert Nils Kößler auch schon gleich zurück. Auf der einen Seite sprechen Sie von einer autoarmen Innenstadt, auf der anderen Seite sagt er aber, ich will freie Wahl der Verkehrsmittel.
Das ist so: wasch mich, mach mich aber nicht nass. Auf der einen Seite fordern Sie mehr Raum für Fuß- und Radverkehr, auf der anderen Seite wollen Sie aber auch mehr Garagen bauen. Da würde ich mir vielleicht einmal überlegen, warum möchten Bewohner in Frankfurt lieber ein Auto haben? Warum überlegen so viele, sich ein Auto zu kaufen? Da sollte man vielleicht noch einmal rangehen, dass wir in der Stellplatzsatzung immer noch stehen haben, dass bei jedem Neubau Stellplätze gebaut werden. Zugegeben, es sind inzwischen schon ein paar weniger. Aber dieser Automatismus, dass Leute kommen, um hier zu wohnen, also brauchen sie auch Parkplätze, den würde ich einmal stark hinterfragen. Paris macht es uns vor, dass es auch anders geht.
Auf der anderen Seite, wenn wir dann vorschlagen, die Innenstadtparkhäuser, am Gericht zum Beispiel oder hinter der Zeil, unter die Erde zu verlegen, damit dort oben ein bisschen Lebendigkeit sein kann und Leute vielleicht wohnen können, dann sagen Sie, nein, das geht nicht. Wir brauchen die ganz unbedingt und wir können die nicht abschaffen. Aber wie wollen Sie dann anregen, dass die Leute umsteigen, wenn Sie immer mehr Parkplätze bauen? Oh, einen Anreiz wollen Sie machen. Sie sagen, dass der ÖPNV zuverlässiger, sicherer und sauberer werden soll. Was Sie aber nicht sagen, dass er auch billiger werden muss. Das ist aber doch essenziell.
Dann ein Wort an Peter Feldmann, den ich gerade nicht im Saal sehe. Peter, du bist im Aufsichtsrat des RMV. Der RMV sagt, dass er natürlich die vom Bund beschlossene Mehrwertsteuersenkung an die Kundinnen und Kunden weiterreicht. Er sagt aber auch, dass er das aber erst ein halbes Jahr später macht. Welchen Sinn hat das denn? 2018 hat der RMV noch gesagt, eine niedrigere Besteuerung sieht er als Beitrag, um die Fahrgastnachfrage weiter zu steigern. Eine Mehrwertsteuersenkung, also unmittelbar drei Prozent niedrigere Fahrpreise in Frankfurt, würde ein sehr guter Anreiz sein, dass die Leute umsteigen im Gegensatz zu: „Wir senken die Fahrpreise jetzt nicht, aber wir versprechen euch: Im Dezember erhöhen wir sie nicht.“ Das ist ja richtig attraktiv.
In Paris ist das Konzept nicht nur, 60.000 Parkplätze wegzunehmen, sondern das Auto zum langsamsten Verkehrsmittel von allen zu machen. Das ist ein Anreiz, wenn ich nämlich mit dem Fahrrad oder zu Fuß schneller bin. Dann kommt die IHK und sagt, wir brauchen aber Parkhäuser für den stationären Einzelhandel. Das ist falsch. Das ist ein Trugschluss. Tatsächlich sind die Umsätze im Einzelhandel viel größer in Fußgängerzonen oder da, wo acht Fahrräder anstelle von einem Auto parken können.
Das heißt also, eine Verkehrswende bedeutet, weniger Autos, nicht mehr wie Sie es am Mainkai haben wollen, und mehr Lebensqualität. Das Gegenteil von dem, was Klaus Oesterling am Mainkai gemacht hat. Mehr Lebensqualität heißt, jede Straße, wie in Paris, braucht Radwege. Wir brauchen tatsächlich eine autofreie oder meinetwegen autoarme Innenstadt. Lasst uns damit anfangen. Wir haben schon Anträge dazu. Anträge, den Bereich um das Salzhaus im Großen Hirschgraben autofrei und dort eine große Fußgängerzone zu machen. Die FRANKFURTER hatten schon einmal vorgeschlagen, und wir auch, den Autoverkehr aus der Braubachstraße herauszunehmen. Wenn Sie sich da einmal umgucken, rechts und links sind jetzt Cafés. Da gibt es keine Autos mehr, die da parken. Warum sollen die da noch durchfahren? Die Goethestraße endlich einmal zu einer richtigen Fahrradstraße zu machen. Die Große Friedberger Straße, ich habe noch nie verstanden, warum da noch Autos langfahren sollen. Wie wir jetzt letztes Wochenende gesehen haben, zum Beispiel könnte man auch im Anlagen- und Cityring vernünftige Radwege machen, eine richtig breite Spur vom Autoverkehr wegnehmen und dem Radverkehr zur Verfügung stellen. Das ist die Verkehrswende, die wir brauchen. Da müssen wir hin und nicht zu Straßen, die einmal für den Autoverkehr gesperrt waren und jetzt auf einmal wieder geöffnet werden.
Danke sehr!
(Beifall)