Anliegenmanagementsystem

Zugehörige Vorlagen: B 465/2012, NR 435/2012, NR 496/2013

Kontext: Wortprotokoll über die 18. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 31. Januar 2013 (16.07 Uhr bis 00.05 Uhr), TOP 9, Bürgeranliegen im Internet

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten

Sehr verehrte Damen und Herren!

Es ist wieder spät geworden mit Themen, über die wir schon fünf Mal geredet haben. Auch dieses ist nicht völlig neu, aber Schlaglöcher über das Internet zu melden war immerhin ein Antrag der Koalition vom August 2011, zu dem jetzt ein Magistratsbericht vorliegt, die Vorlage B 465.

Wir müssen feststellen, in diesem langen Zeitraum hat sich dort leider wenig getan. Das ist ein extrem triviales Projekt, ich habe mich erkundigt. Das Problem ist, dass der Dezernent verschiedene Sachen durcheinander wirft. Das haben wir leider schon öfter festgestellt. Zum Beispiel auch bei Open Data, wozu ich später noch einmal komme. Im Bundestag wurde im November 2012 ein E-Government-Gesetz beschlossen, das besagt: „E-Government ist die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien über elektronische Medien.“ Das heißt, E‑Government reguliert zum Beispiel die elektronische Aktenführung, was im Verwaltungssektor noch relativ neu ist, in der freien Wirtschaft aber seit über 20 Jahren gemacht wird.

Das Gesetz soll dazu dienen, bundesrechtliche Hindernisse, die die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltungen regeln, zu erleichtern. Es soll eine Kommunikation mittels elektronischer Signatur eingeführt werden und letzten Endes sollen Bürger in der Lage sein, an die Stadtverwaltung Anträge zu stellen, und diese auch elektronisch signieren zu können. Es handelt sich um persönliche Anliegen, wie seinen Führerschein auf einen neuen umzustellen oder seinen Ausweis verlängern zu lassen, also Anträge persönlicher Natur an die Stadt. Das ist E-Government erst einmal.

Unser Antrag, öffentliche Anliegen melden, wie auch der von Herrn Kößler, Schlaglöcher über das Internet melden, behandelt öffentliche Anliegen, wie der Name schon sagt. Also nicht private, persönliche Anliegen. Von daher muss man das von E-Government differenzieren.

Da gibt es eben diesen uralten Antrag der Koalition und uns wird gesagt, wir müssen jetzt eineinhalb Jahre warten und dann machen wir erst einmal ein Konzept und das ist alles abhängig vom Relaunch von „frankfurt.de“., Bis das fertig ist, dieses unheimlich komplexe technische Konzept umgesetzt werden kann, vergehen bestimmt noch einmal zwei Jahre. Das heißt, wir können erst im Jahr 2015 – ich würde einmal prognostizieren, dass es noch vor der nächsten Kommunalwahl das Licht der Welt erblickt – so etwas Triviales wie Schlaglöcher über das Internet melden, was bereits im August 2011 beschlossen wurde.

Ich habe mich einmal kundig gemacht. Es gibt auf der einen Seite Open-Source-Software, die uns gar nichts kostet, wenn wir jemand finden, der sie installiert. Die wunderschöne Seite anliegen.bonn.de würde uns beispielsweise ungefähr 5.000 Euro kosten, da gibt es eine Menge Schnittstellen dazu, inklusive soziale Netzwerke wie Facebook. Am Ende kann dann sogar jemand über Facebook ein Schlagloch melden und die Stadt verwaltet das. Es gibt aber auch noch andere Software. So hat zum Beispiel das brandenburgische Innenministerium eine eigene Software, die heißt Maerker Brandenburg, die von der Firma Six kommerziell zur Verfügung gestellt wird. SixCMS haben Sie vielleicht schon einmal gesehen, diese Adresse steht auch auf der Seite von „frankfurt.de“. Six ist die Firma, die das Content Management System der Stadt Frankfurt angeboten hat.

Das heißt, wir bekämen dort eine kompatible Software, die mit „frankfurt.de“ funktioniert. Auch da habe ich einmal nachgefragt, die kostet so ab 10.000 Euro. Wir müssen also nicht 100.000 Euro ausgeben, sondern nehmen 5.000 bis 10.000 Euro in die Hand und zack, haben wir es. Als ich da angerufen habe, musste ich hören, dass der Leiter des Frankfurter Onlinebüros dort schon bei einer Schulung war und bestens Bescheid weiß. Wir kriegen da eines vom Pferd erzählt, wie kompliziert und teuer das ist, und dann war ein Mitarbeiter vom IKT schon dort, hat eine Präsentation gesehen, weiß genau, wie kompatibel das ist und trotzdem müssen wir jetzt leider noch zwei Jahre warten, bis es eingeführt wird.

Das Grundproblem ist die Vermischung der verschiedenen Plattformen. Uns wird gesagt, „frankfurt.de“ und E‑Government und die ganzen Geschichten gehören zusammen, das Servicecenter 115 kommt da noch mit rein und dann ist das furchtbar kompliziert, weil wir diese ganzen Fürstentümer in der Stadt haben, die nicht miteinander reden.

Das ist so ein Punkt, den ich nicht verstehe. Wenn ich bei der Stadt anrufe und sage, die Straßenlaterne ist kaputt, dann findet das irgendwie seinen Fluss und die Straßenlaterne wird repariert. Wenn ich eine E‑Mail sende, passiert das Gleiche, es tut sich auch etwas. Wenn ich aber ein Formular verwende und dieses Formular sendet jemand vom Amt für Informations- und Kommunikationstechnik an das zuständige Dezernat weiter, dann ist auf einmal das eine Dezernat dem anderen nicht weisungsbefugt und mein Anliegen kann nicht bearbeitet werden.

Es muss doch in der Stadt Frankfurt möglich sein, diese verschiedenen Kanäle für einen Input zu bearbeiten. Herr Stein kennt sich mit Kanälen bestens aus, also muss es doch möglich sein, mit Kanälen parallel etwas zu machen, damit am Ende zeitnah ein Resultat dabei herauskommt. Jetzt sagte Frau Purkhardt im Ausschuss, als es um Open Data ging, was hier auch immer wieder zusammengeschmissen wird, dass sie der Verwaltung traue, dass die schon wissen, was sie tun. Ich muss sagen, mein Vertrauen ist da ganz schön geschwunden, denn im Bericht B 454 wurde nämlich wieder alles durcheinandergeworfen. Da wird zum Beispiel gesagt, bei Open Data handelte es sich um Apps. Da gibt es Externe, die das nutzen, und in diesem E‑Government‑Newsletter, den wir alle im Fach hatten, steht, bei Open Data geht es um den Austausch von Wissen mit Externen. Das ist aber falsch, wenn man Open Data vernünftig macht, muss man erst einmal strategische Ziele festlegen, man muss sagen, wo der Zug überhaupt hinfahren soll. Diese Ziele sind zum Beispiel eine bessere faktenbasierte Politik, damit wir, wie an der Statistik vom AmkA, faktenbasiert sehen, wo es Förderpotenzial oder Benachteiligungen gibt. Darauf können wir unsere Politik aufbauen und bessere Politik machen. Das hat aber auch etwas mit Transparenz, mit Nachvollziehbarkeit, mit Rechenschaft gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und auch gegenüber der Presse zu tun. Nicht zuletzt fördern wir damit Innovationen, denn Open Data und diese ganzen Geschichten sind nicht als Selbstzweck oder Spielwiese für irgendwelche Nerds da, sondern um eine wirtschaftliche Nachnutzung zu fördern. Das heißt, muss man prüfen, ob dies dem Ziel dient, eine wirtschaftliche Nachnutzung zu haben, dann kann man das auch realisieren.

Nicht zuletzt dient es auch einer effizienteren Verwaltung. Es ist unwahr, dass es nur dem Bereitstellen von Wissen für Externe dient, sondern es ist auch für die interne Nutzung enorm wichtig. Die Verwaltung wird dadurch effizienter, man spart Geld ein und damit rechnet sich dieses ganze Projekt. Wir haben in dem Magistratsbericht eine Liste von im Internet verstreuten Daten gesehen, die aber leider nicht offen sind, sie sind auf irgendwelchen statischen Webseiten und es gibt keine Weiternutzung, keine offene Lizenz. Das ist kein Open Data.

Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel nennen. Sie können, wenn Sie masochistisch sind, vom Stadtvermessungsamt Karten auf Ihrer Webseite einbauen. Das geht aber nur bis zu 800 mal 800 Pixeln – mein Handy hat heutzutage schon mehr auf dem Bildschirm als 800 mal 800 Pixel –, dann müssen Sie einen Verwendungszweck angeben und die Beauftragung von Dritten ist dem Stadtvermessungsamt anzuzeigen. Sie müssen dem Stadtvermessungsamt eine kleine Stückzahl und ein Belegexemplar vorlegen, das ist unheimlich kompliziert und bürokratisch. Auf diese Art und Weise wird man die Weiterverwendung von Daten ganz bestimmt nicht fördern.

Mein rotes Lämpchen leuchtet. Ich möchte festhalten, wir sind von E‑Government noch weit entfernt, wir haben eine Software, die die Architektur vorgibt, wo wir kein Konzept mehr machen müssen, wir können uns bei anderen Städten informieren, wir können unabhängig von „frankfurt.de“ diese Geschichte machen und ich hoffe, wir werden es noch vor der nächsten Kommunalwahl erleben. Ich hoffe eher.

(Beifall)

[…]

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten

Die werde ich nicht brauchen, aber dass wir diese Debatte um diese Uhrzeit anfangen, ist ganz bestimmt nicht den Piraten zu verdanken. Von daher fassen Sie sich einmal an die eigene Nase. Ich muss sagen, wir haben durchaus noch Geduld, wir haben auch noch Geduld bis 2016, bis die Kommunalwahl andere Mehrheitsverhältnisse bringt, aber ich muss sagen, mit jeder neuen Information tun sich mehr Abgründe auf. Was wir hier erfahren ist, dass zwischen den einzelnen Dezernaten nicht ausreichend kommuniziert wird. Um etwas wie Schlaglöcher zu melden, das nur das Amt für Straßenbau und Erschließung betrifft, muss man nicht ämterübergreifend kooperieren.

Dabei kann es so einfach sein. Wir haben eine Stabsstelle, die eigentlich dezernatsübergreifend arbeiten soll. Herr Tschierschke hat mir verraten, im Rodgau haben sie so ein Schlagloch-Management, ein Anliegen Management innerhalb von vier Tagen realisiert, inklusive – und jetzt hören Sie gut zu – einem Magistratsbeschluss, der diese Kooperation zwischen den einzelnen Dezernaten festgelegt hat. Dafür gibt es einen Magistratsbeschluss, das ist das Zauberwort für diese Kooperation. Was dieses unheimlich komplexe Management dahinter angeht, auch dort werden nur E-Mails generiert. In Potsdam, bei Maerker Brandenburg, können Sie sehen, wie viele Anliegen jeden Tag eingehen. Das sind so zwischen einem und fünf Anliegen jeden Tag. Potsdam hat weniger Einwohner als Frankfurt, so ungefähr ein Viertel, das heißt, wir würden in Frankfurt maximal 20 Anliegen pro Tag haben. Diese E-Mails bekommt dann jemand und leitet sie weiter an den Nächsten.

Dann gibt es bei Maerker Brandenburg eine wunderschöne Ampel – Sie lieben Ampeln beim Thema Gesundheit und ähnlichen Darstellungen –, Rot, Gelb, Grün. Diese Ampel gibt an, wie der Status ist. Potsdam bekommt es als kleine Stadt geregelt, das Ganze transparent zu machen, so dass der Bürger tatsächlich auch Feedback bekommt.

Natürlich, alle Informationen, alle Daten, unterliegen dem Urheberrecht. Die Frage ist, mit welcher Lizenz man diese Daten verfügbar macht. Wir möchten da nicht irgendwelche Urheberrechte verletzen, aber wenn Sie sagen, es ist so furchtbar kompliziert, das zu klären, kann ich Ihnen von anderen Open Data Projekten berichten. Dort gibt es Fälle, wo der Stadt gar nicht mehr das Urheberrecht gehört oder wo entgegen hessischen Gesetzen Exklusivrechte für einzelne Anbieter ausgehandelt wurden. Das muss man aber erst einmal rechtlich klären.

Genauso verhält es sich mit dem Thema „wir haben da falsche Informationen veröffentlicht und sind dann regresspflichtig“. Es tut mir leid, wenn Sie schon wissen, dass Sie falsche Informationen haben, dann stellen Sie sie nicht in das Internet, ansonsten werden Ihnen die Bürger schon sagen, wenn die Informationen falsch sind und dann können Sie diese Informationen korrigieren.

Mir macht es Angst, dass Sie gesagt haben, am Montag haben Sie das Konzept für das E-Government an den Magistrat gegeben. Wenn ich mir aber jetzt den Newsletter zum E-Government ansehe, sind auf der letzten Seite viele Fragen gestellt worden. Diese Fragen zum E-Government zeigen mir, dass wir hier ganz am Beginn eines Projektes stehen, denn sonst würden da nicht Fragen, sondern Antworten stehen. Dann würden da Zielvorgaben, Ideen für Lizenzen und konkrete Hinweise stehen, wie der Magistrat gedenkt, das umzusetzen. Hier aber haben wir nur einen Fragenkatalog. Das heißt, irgendeine Agentur hat wahrscheinlich gesagt, diese Fragen können wir uns im Rahmen dieses Projekts stellen und das heißt, Ihr müsst die jetzt irgendwann einmal beantworten. Das dauert. Wir sind ganz am Anfang dieses Projektes, deswegen bin ich sehr skeptisch, dass wir das zu diesen Magistratszeiten noch sehen werden.

Vielen Dank und schönen Abend!

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