Zugehörige Vorlagen: Magistratsvortrag M 66/2014, Antrag NR 929 (Piraten)
Kontext: Wortprotokoll über die 32. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, den 26. Juni 2014 (16.01 Uhr bis 0.02 Uhr), TOP 7, Neukonzeption Theaterförderung
Stadtverordneter Martin Kliehm, ELF Piraten:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Nachdem wir fast ein Jahr warten mussten, gibt es jetzt neue Kulturförderrichtlinien der Stadt Frankfurt. Es ist nicht so, dass wir bisher keine gehabt hätten. Kriterien zur Kulturförderung gab es bisher auch schon. Welche Projekte besonders förderungswürdig sind, hat sich nach bestimmten Kriterien gerichtet, wie zum Beispiel, dass man international vernetzt ist, dass man mit Kindern mit Migrationshintergrund und vielen anderen Dingen arbeitet. Diese Kriterien gab es schon. Eine Transparenz der Förderung gab es bisher allerdings nicht. Die jährlichen Einsparentscheidungen des Kulturdezernates waren mit dem Ruch der Willkür, einer Kürzung nach Gutsherrenart behaftet. Die neuen Kulturförderrichtlinien sollten das beheben. Diesem Anspruch werden sie meines Erachtens nicht gerecht.
Bevor ich zu den negativen Punkten komme, möchte ich zuerst die positiven erwähnen. Positiv ist auf jeden Fall, dass die freien Träger durch die zwei- bis vierjährige Planung eine bessere Planungssicherheit haben. Ich finde auch sehr gut, dass in den Förderrichtlinien erstmals die Zusammenarbeit und die Rolle des Mousonturms ganz klar geregelt ist.
Die Art und Weise, wie der Kulturbeirat zusammengesetzt wird und arbeiten soll, finde ich nicht gut. Dort wird diese versprochene Transparenz nicht umgesetzt. Ich gebe Ihnen auch gleich Beispiele aus anderen Städten, wie es alternativ gehen könnte. Wir haben einen Kulturbeirat, der vom Dezernenten besetzt wird. Das macht er vollkommen eigenständig. Es muss auch nicht begründet werden, warum irgendwelche Leute in diesen Kulturbeirat kommen.
In anderen Städten ist das die Entscheidung des Gemeinderates, also in unserem Fall eine Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung. Wir werden überhaupt nicht gefragt, wer in diesen Kulturbeirat reinkommt. Ich denke, wenn es darum geht, Mittel zu verteilen, dann sollte auch die Stadtverordnetenversammlung zumindest über einen Vorschlag des Magistrats entscheiden können.
Dieser Kulturbeirat spricht Förderempfehlungen an die Verwaltung aus. In anderen Städten werden diese Förderempfehlungen und auch die Protokolle des Beirats sofort den Stadtverordneten zugestellt. Wir erfahren das nur einmal im Jahr in einem zusammengefassten Bericht. Das ist nicht die Transparenz, die Sie dort versprechen. Der Kulturbeirat kann nach Beschluss auch neue Förderschwerpunkte festlegen, die veröffentlicht werden können, aber nicht veröffentlicht werden müssen. Aber wenn sich die Schwerpunkte verändern, weil neue Strömungen in der Kulturszene aufgetreten sind, sollten wir davon erfahren. Ein Gremium, welches nicht öffentlich tagt, sollte seine Schwerpunkte nicht einfach ändern dürfen.
Veröffentlicht werden dürfen nur nach Beschluss des Beirats die positiven Voten. Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, zeitnah ein Ergebnisprotokoll von den Sitzungen des Beirats zu bekommen. Ich wüsste natürlich auch gerne, wer abgelehnt wird und warum jemand abgelehnt wird. Denn ansonsten haben wir die Situation wie beim Club Voltaire – ich habe schon gesagt, es ist kein Theater, es findet dort Kabarett statt. Es ist keine Transparenz zu erkennen, warum bestimmte Institutionen gefördert werden und andere nicht.
Der Kulturbeirat kann auch Zielvereinbarungen mit bestehenden Institutionen treffen, die auch nicht veröffentlicht werden. Wenn ich eine Zielvereinbarung mit einem freien Theater treffe, ist es elementar, nachvollziehen und nachprüfen zu können, ob diese Ziele erreicht wurden. Das können wir nicht, weil wir die Zielvereinbarung nicht kennen. Ich frage mich, wo bei dieser Geschichte die Transparenz ist und wozu wir den Kulturbeirat überhaupt brauchen. Das Einzige, das geschehen wird – das haben wir aber auch schon vor längerer Zeit beschlossen –, ist, dass die einzelnen Fördermittel im Internet veröffentlicht werden.
Das praktizieren andere Städte schon lange. Frau Dr. Wolter-Brandecker hat es vorgerechnet. Letztlich gab es die Empfehlung der Expertenkommission, auch die Mittel für die freien Theater zu erhöhen. Das heißt, wir haben mehr Bürokratie, haben dadurch aber letztlich nur eine Mängelverwaltung. Die freie Szene benötigt dringend mehr Geld. Herr Dr. Dürbeck hat es zuvor mit dem Vergleich der vorhandenen Plätze in den Stadien der Bundesliga genannt. Wir haben hinsichtlich der Innovationskraft und der Originalität bei der freien Theaterszene in Frankfurt Bundesliganiveau. Sie wird aber nach Regionalliganiveau bezahlt. Ich denke, das müssen wir ändern.
Frau Dr. Wolter-Brandecker und Herr Popp hatten die prekäre Situation der Kulturschaffenden, deren Selbstausbeutung und das geringe monatliche Gehalt, das sie bekommen – ganz zu schweigen von freien Projekten, bei denen sich die Kulturschaffenden von einem Projekt zum anderen hangeln –, angesprochen. Es fällt mehr Bürokratie an, als dass sie eigentlich kreativ arbeiten können. Ich denke, bei der Bürokratie und bei der Antragstellung könnte die Stadt unterstützend tätig werden. Wir müssen letztlich auch ermöglichen, dass die Kulturschaffenden zu einem angemessenen Lohn arbeiten können, dass uns die Kultur im wahrsten Sinne des Wortes etwas wert ist. Das müssen wir ändern. Ich denke, deswegen kommen wir nicht umhin, letztlich für die freien Theater die Mittel zu erhöhen, und das nicht zu spät. Wir haben überraschend höhere Einnahmen von 260 Millionen Euro bei der Gewerbesteuer erzielt. Wenn Sie die eine oder andere Million vielleicht für den Kulturbereich ausgeben könnten, dann, denke ich, wäre Frankfurt insgesamt sehr gedient.
Vielen Dank!
(Beifall)