Innenstadt-Konzept

Kontext: Wortprotokoll über die 43. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, dem 16. Juli 2015 (16.00 Uhr bis 23:55 Uhr), TOP 6, Innenstadt-Konzept

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich glaube, das ist ein denkwürdiger Tag, denn Herr Dr. Kößler hat die LINKE. gelobt. Das sind wir eigentlich gar nicht gewöhnt. Ich hatte mir eigentlich auch die schwarz‑rote Koalition nach den Kommunalwahlen anders vorgestellt. Ich glaube, Herr Dr. Kößler, das müssen Sie mit der Jungen Union noch einmal klären, die sind da anderer Meinung.

(Zurufe)

Herr Amann hat es gerade schon angesprochen, wir betrachten hier fast ein Jahrhundertprojekt. Es hat 2001 schon angefangen, das heißt, der Magistrat hat 14 Jahre an diesem Innenstadtkonzept herumgebastelt, hat elf Informationsveranstaltungen mit 300 Bür-gerinnen und Bürgern durchgeführt. Was ist dabei herausgekommen? Elf Punkte auf der Vorschlagsliste. Im Prinzip haben Sie dann für jede dieser Informationsveranstaltungen einen Vorschlag geliefert. Warum das 14 Jahre gedauert hat, wundert mich nicht, wenn ich mir Herrn Baier anhöre. Sie gehen da so ins Klein-Klein, bis hin zu den Inschriften aus dem Rabbi von Bacherach. Wahrscheinlich haben Sie auch schon die Dias ausgewählt, die Sie irgendwohin projizieren möchten. Kein Wunder, dass das so lange dauert. Herr Hübner würde sich freuen, mit ihm können Sie bestimmt auch über die Spolien diskutieren.

Allerdings rudern Sie da jetzt bei einigen von diesen elf Vorschlägen sogar schon wieder zurück. Der schwarz‑grüne Magistrat macht einen Vorschlag und die schwarz‑grüne Koalition sackt gleich so ein paar davon wieder ein. Sie haben Gott sei Dank erkannt, dass es nicht gut ist, die Katharinenkirche zuzubauen. Das haben wir auch gesagt. Sie haben erkannt, dass es gut ist, einige der Fünfzigerjahre‑Gebäude zu erhalten. Sie rudern beim Zubauen des Roßmarkts etwas zurück und Sie haben eine geniale Lösung für diese Wüste, die Sie am Goetheplatz geschaffen haben. Denn, was Sie dort verhunzt haben, können Sie jetzt rückgängig machen, indem Sie einfach ein Haus dort hinstellen. Ich glaube, das hätten wir uns auch sparen können.

Was die Berliner Straße und den Mainkai angeht, von denen dieses Konzept immerhin schon sagt, dass sie zurückgebaut werden sollen, werden Sie auf einmal vorsichtig und sagen, wir müssen das erst einmal prüfen und die Mainova möchte dort erst einmal baggern und dann sehen wir, was dabei herauskommt. Am Ende bleiben von diesen elf Vorschlägen vielleicht noch sieben übrig. Sie haben vielleicht noch ein paar zusätzliche gemacht, aber da hätte ich nach 14 Jahren ein bisschen mehr erwartet. In Wahrheit wollte Edwin Schwarz sich damit ein Denkmal bauen. Er war zwölf Jahre lang Leiter des Stadtplanungsamtes, dann hat er aber leider vor der letzten Kommunalwahl dieses Innenstadtkonzept aus der Schublade geholt, hat dabei Konzepte entworfen wie in den 1980ern, und deswegen ist es glücklicherweise erst einmal wieder für ein paar Jahre in der Schublade verschwunden.

Diese Hochpunkte, die Sie zum Beispiel anstelle der Stoltze‑Schule bauen wollten, haben Sie wieder gestrichen. Darüber bin ich sehr froh, denn die Gründerzeitbebauung in Frankfurt ist sehr wichtig. Sie können nicht sagen, dass Sie das Odeon erhalten wollen und dann nebenan anstelle der Stoltze‑Schule einen Klotz hinbauen. Sie haben erkannt, dass es wichtig ist, das Gefängnis im Klapperfeld aufgrund seiner historischen Bedeutung zu erhalten. Im Innenstadtkonzept ist auch der Abriss der SPD‑Zentrale nicht mehr enthalten. Aber die späte Rache kam, indem CDU und GRÜNE es in ihren eigenen Antrag wieder hineingeschrieben haben. Also, die SPD‑Zentrale wird wegplaniert sobald es dort eine Umnutzung gibt und dann werden dort auch Wohngebäude gebaut. Ich glaube, die SPD sieht das ein bisschen anders.

Ich komme einmal zu den guten Punkten. Sie sagen, Sie möchten dem Klimawandel begegnen – Frau Heilig ist gerade nicht da –, aber wir haben schon ein Klimakonzept für Frankfurt.

(Zurufe)

Für das Protokoll: Frau Heilig ist hinten im Saal. Im Innenstadtkonzept steht zum Klimawandel, dass Sie etwas dagegen tun wollen, aber unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wir können gerne weiter schwitzen. Sie gehen an diesem Punkt auch nicht wirklich ins Detail. Sie gehen bei den Dekorierungen von irgendwelchen Toren ins Detail, aber wie Sie jetzt zum Beispiel den Römerberg in den Sommermonaten weniger heiß machen wollen, so wie wir es gerade erleben, dazu haben Sie noch keine Idee.

Was gut ist – Herr Amann hat es gerade gesagt –, Sie wollen die Wegeverbindungen herstellen, Sie wollen für den Anlagenring ein Konzept erstellen, wie man dort besser mit dem Fahrrad fahren kann. Aber überlegen Sie sich zum Beispiel auch einmal, ob es wirklich notwendig ist, um den Anlagenring herum eine dreispurige Straße zu haben oder ob man da nicht zum Beispiel auch einen Fahrradschnellweg bauen könnte. Sie sagen, Sie möchten eine bunte Mischung in der Innenstadt haben und die eigenständigen Identitäten stärken. Das hört sich erst einmal gut an, aber gleichzeitig gentrifizieren Sie die innenstadtnahen Bereiche einfach so weg. Sie sagen auch, Sie möchten die kulturelle Vielfalt sichern und herausstellen. Die Tage bekommen wir dann eine E‑Mail, dass die Projektfördermittel für kulturelle Vielfalt in der Katakombe einfach einmal gestrichen werden. Das ist doch unmittelbar in diesem Bereich. Die Katakombe ist seit Jahrzehnten eine Institution in Frankfurt.

(Beifall)

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass im Innenstadtkonzept endlich steht, dass Sie in der Limpurgergasse eine Kita bauen möchten. Wir haben schon seit Jahren gefragt, da Sie immer sagen, Frankfurt sei eine kinderfreundliche Stadt, wie es denn mit der Kinderfreundlichkeit für die Kinder der Mitarbeitenden aussieht und wo denn die städtische Kita ist, in die die vielen Verwaltungsangestellten im Römer ihre Kinder morgens bringen können. Darauf haben Sie gesagt, dass Sie keinen Ort dafür haben. Jetzt endlich – hurra – haben Sie die Limpurgergasse dafür auserkoren.

Ich möchte auch noch einmal einen Punkt aus einem anderen Antrag lobend erwähnen, nämlich aus einem Antrag der RÖMER‑Fraktion. Sie haben das vielleicht gar nicht einmal so witzig oder ironisch gemeint, wie sie das sonst immer sagen, aber diese Wasserbusse, die sie vorschlagen, habe ich in anderen Städten gesehen und könnte sie mir sehr gut am Mainufer vorstellen.

Die LINKE. fordert in ihrem Antrag neben dem, was ich gerade schon gesagt habe, zum Beispiel auf diesen unendlich teuren Umbau der Hauptwache, die Deckelung der Hauptwache, zu verzichten. Wir wollen auch keine weiteren Hochhausstandorte in der Stiftstraße im Fischerfeld haben, es gilt der Grundsatz: nicht höher als 30 Meter bauen. Wir wollen keine weiteren Luxuswohngebiete mehr haben, wir wollen eine Durchmischung und mindestens 50 Prozent geförderten Wohnraum.

(Beifall, Zurufe)

Es mag sein, dass Sie es toll finden, dass an der Taunusanlage so eine Art „Central Park“ mit Luxuslofts entsteht, aber das ist nicht die Idee der LINKEN.

Nachdem Sie gesagt haben, man muss verhindern, dass die Braubachstraße als Schleichweg benutzt wird, wenn die Berliner Straße und der Mainkai verengt werden, haben wir dafür auch eine Idee. Sie schreiben in Ihrem eigenen Antrag, dass die Braubachstraße ein Kunstviertel ist, das durch die Altstadtbebauung sowieso besser erschlossen wird. Wir fordern, die Braubachstraße fußgängerfreundlich umzugestalten, dort weiterhin die Straßenbahn durchfahren zu lassen, aber wir sehen keinen Grund, da noch weiter Autos fahren zu lassen.

In Ihrem Konzept fehlt zum Beispiel vollkommen, was wir mit diesen Innenstadtparkhäusern machen. Die nehmen an der Konstablerwache oder hier an der Hauptwache eine Menge Platz weg.

(Zurufe)

Frau Tafel‑Stein, man kann Parkhäuser auch unter die Erde bauen. Sie werden es nicht glauben. Dazu muss ich Ihnen auch sagen, die Berliner Straße hat tatsächlich eine Trennwirkung. Das wird Ihnen vielleicht nicht so auffallen, wenn Sie mit Ihrem Sportwagen dort entlangfahren, aber wenn Sie einmal zu Fuß gehen, werden Sie diese Trennwirkung sehen. Sie entwickeln sich immer mehr zur Autofahrerpartei und ich sehe schon Ihr Wahlprogramm, da steht dann wieder etwas über die bösen Radfahrer drin.

Das Konzept der LINKEN. ist es, den Individualverkehr in der Innenstadt zu reduzieren. Wir haben eine sehr gute Anbindung durch den öffentlichen Personennahverkehr. Klar, er könnte noch weiter ausgebaut werden, er könnte auch billiger werden, und wir könnten auch ein Bürgerticket haben. Man muss nicht mit dem Auto in die Innenstadt fahren.

(Zurufe)

Wir haben schon vor Monaten einen Antrag gestellt, einmal im Jahr einen autofreien Sonntag im Innenstadtbereich zu veranstalten. Den Antrag haben die GRÜNEN abgelehnt. Komisch. Was die GRÜNEN von uns übernommen haben, war der Punkt mit der Barrierefreiheit. Wir haben aber zusätzlich noch gefordert, bei der Gelegenheit ein Blindenleitsystem einzuführen, wie es das zum Beispiel in der Innenstadt von Mainz gibt.

Jetzt stellt sich nach 14 Jahren die Frage: Was kommt jetzt? Dazu gibt das Innenstadtkonzept die Auskunft, das Konzept soll in Zukunft weiter konkretisiert und fortgeschrieben werden. Also, ich sage Ihnen voraus, wir sehen uns dann in 14 Jahren an dieser Stelle wieder und werden dann vielleicht einmal über Ihre Haushaltsanträge reden, inwiefern das tatsächlich umgesetzt wird.

Vielen Dank!

(Beifall)

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