Kontext: Wortprotokoll über die 47. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, den 3. September 2020 (16.01 Uhr bis 23.50 Uhr), TOP 4, 43. Fragestunde.
Schriftliche Anfrage an den Magistrat:
Innerhalb der Frankfurter Polizei gibt es nicht nur Probleme mit rassistischen Strukturen. Die veröffentlichten Videos zeigen: Die Polizei hat ein Gewaltproblem. Rassismus, Gewaltbereitschaft und staatliches Gewaltmonopol bilden ein gefährliches Gemisch. Niemand kann davor sicher sein, während eines Einsatzes Opfer von Polizeigewalt zu werden. Inzwischen scheuen sich viele Menschen davor, die Polizei zu rufen.
Ich frage den Magistrat:
Welche Maßnahmen wird der Magistrat ergreifen, um die Frankfurter Bevölkerung vor Polizeigewalt zu schützen?
Mündliche Antwort von Ordnungsdezernent Markus Frank, CDU, in der Plenarsitzung:
Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrter Herr Kliehm,
ich muss sagen, die Bilder, die Videos, die wir alle gesehen haben am Rande des Polizeieinsatzes, die waren nicht schön. Das waren verstörende Bilder, deswegen sage ich das hier auch. Ich bin unserem Polizeipräsidenten sehr dankbar, dass er den Polizeibeamten, die dort eingesetzt waren, die auf den Videos erkannt worden sind, direkt ein Verbot der Ausübung der Dienstgeschäfte, auch mit sofortiger Wirkung, ausgesprochen hat. Ich glaube, das zeigt, wie unsere Polizei arbeitet und dass, wenn einzelne Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte sich nicht an Recht und Gesetz halten, es direkt auch eine Konsequenz hat. Aber ich würde nicht so weit gehen und sagen, dass die Polizei in unserer Stadt, in unserem Land eine Gefahr für die Bevölkerung unserer Stadt ist. Ganz Im Gegenteil, gerade in dieser ganz schwierigen Corona‑Zeit leisten die Bediensteten der Landes-, Bundes- und auch der Stadtpolizei einen beeindruckenden Dienst für unsere Stadt und für unser Land.
(Beifall)
Ich glaube, wenn wir wollen, dass in unserem Land Recht und Gesetz durchgesetzt wird, müssen wir unsere Polizei insgesamt stärken. Da nützt es nichts, ihnen pauschal vorzuwerfen, sie wären gewalttätig gegen Menschen. Es nützt auch nichts, ihnen vorzuwerfen, dass sie allesamt irgendwie rassistische Gedanken hätten. Nein, dem ist nicht so, das wissen wir. Wenn es Einzelfälle gibt, muss dem nachgegangen werden. Deswegen noch einmal: Wir haben am Montag im Ausschuss für Recht, Verwaltung und Sicherheit, wie ich finde, einen beeindruckenden Polizeipräsidenten erlebt, der sich sehr viel Zeit genommen hat, auch für die Stadtverordneten. Der Dienstherr des Polizeipräsidenten ist nicht der Magistrat der Stadt Frankfurt, das ist die Landesregierung. Normalerweise gibt ein Polizeipräsident dem Landesparlament Auskunft. Ich fand das sehr eindrucksvoll. Er hat auch dargelegt, wie unsere Polizei aufgestellt ist, wie sie arbeitet. Aber noch einmal, ich glaube, in unserer Zeit haben wir eher ein Problem mit Gewalt gegen Polizeibeamte, Gewalt gegen Einsatzkräfte.
(Beifall)
Deshalb ist es wichtig, egal wo wir sind, an jeder Stelle, an der wir sind, deutlich zu machen, wie wichtig die Arbeit unserer Polizei ist. Ich will Ihnen noch einmal ein Bild senden, was mich beeindruckt hat. Am Wochenende, als die Rechten versucht haben, das Herz der Demokratie, unser Parlament, anzugreifen, da standen dort drei Polizeibeamte und konnten das abwenden. Ich fand, das waren wunderbare Bilder. Ich verneige mich vor dieser Leistung.
(Beifall)
Nachfrage des Anfragestellers Martin Kliehm:
Wenn Sie Berlin schon erwähnen, muss man auch noch sagen, dass zur selben Zeit drei Polizeibeamte auf den Bühnen von Verschwörungsideologen genau das Gegenteil gemacht haben und sich nicht demokratisch verhalten haben. Ich halte es eigentlich für selbstverständlich, dass Menschen professionell ihren Job tun, und dies schaffen, ohne dabei schwarze Menschen anzuzünden.
Ich muss mich fragen: Wie kommt so etwas wie diese verstörenden Bilder, die Sie genannt haben, zustande? Das ist noch nicht einmal eine Frage, das ist rhetorisch: Wie kann sich jemand in der Polizei so sicher fühlen, dass er so ausrastet und jemanden ins Gesicht tritt? Da sehe ich Sie auch als Teil des Problems.
Das ist meine Frage: Streiten Sie immer noch die Existenz von Rassismus und Racial Profiling bei Polizei und Behörden als Bullshit ab, und welche Botschaft sendet das eigentlich an die von Rassismus Betroffenen?
Ordnungsdezernent Markus Frank:
(fortfahrend)
Da, wo ich bin, und wo ich auftrete und gefragt werde, erkläre ich den Menschen, dass Racial Profiling zum Beispiel bei der hessischen Polizei kein Thema ist. Das ist verboten. Es ist auch polizeitaktisch unklug, wenn sie den Auftrag hätten, nach äußeren Merkmalen Menschen zu kontrollieren. Das würde eine ganze Reihe von Menschen verstören. Was wir als Gesellschaft brauchen ist doch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Wir müssen doch dafür sorgen, dass egal welche Hautfarbe jemand hat, egal wo er herkommt, welche Religion er hat, er sich für die Gesellschaft engagiert und einsetzt. Wir kennen unser Grundgesetz. Wir wissen, wie die Polizei Aufträge bekommt, welche Aufgaben sie hat. Dieses ständige Behaupten, dass Menschen nur wegen äußerer Merkmale kontrolliert werden, das ist nicht richtig. Das ist falsch. Das ist in unserem Land verboten.
Wenn Sie dieses Wort ansprechen, das ich ausgesprochen habe. Ich war auf dem Opernplatz und gerade im Interview für das ZDF. Da kam eine aufgebrachte Menge, die das Interview gestört hat. Der Journalist war dann auch sehr aufgebracht. Ich habe dann zielgruppengerecht geantwortet, mehr auch nicht. Ich würde das hier in dem Rahmen nicht so machen. Aber noch einmal: Wir haben bei unserer hessischen Polizei kein strukturelles Problem mit Rassismus. Wer das Gegenteil sagt, der verunglimpft unsere Polizei.
(Beifall)
Stadtverordneter Martin Kliehm, Fraktion DIE LINKE. im Römer:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit großer Regelmäßigkeit lesen wir inzwischen negative Schlagzeilen von der hessischen Polizei und zwar nicht nur in der Frankfurter Rundschau, auch in der FAZ, in der Neuen Presse, in der Zeit, in der Süddeutschen. Wir lesen von Polizeigewalt in Alt‑Sachsenhausen, im Gallus, in Eschborn und in Ingelheim, von rechten Netzwerken bei der Polizei, von Drohbriefen aus den Reihen der Polizei, von illegalen Abfragen vertraulicher Daten aus Revieren in Frankfurt, Wiesbaden, Hamburg und Berlin, und das über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren hinweg, wo uns der Polizeipräsident im Februar 2019 versprochen hat, dass dies nicht mehr vorkommen wird. Wir lesen von schlampigen Ermittlungen im Mordfall Lübcke und bei Brandanschlägen eines Spenders der AfD auf linke Zentren in Frankfurt. Und in letzter Zeit lesen wir auch von Bedrohungen von Zeuginnen und Zeugen. Und Herr Frank will uns immer noch klarmachen, dass es alles nur Einzelfälle sind. Damit kommen Sie nicht mehr durch.
(Beifall)
Immer häufiger werden diese Übergriffe auf Video dokumentiert, und zwar nicht auf den offiziellen Polizeivideos, die seit 2013 Bodycams mit sich führt. Das heißt, sie hatten sieben Jahre Zeit festzustellen, dass der Akku, wie uns der Polizeipräsident gesagt hat, nur sechs bis acht Stunden hält, das heißt, um vier Uhr ist Sense, die Batterie ist leer und ausgerechnet dann zu der Zeit um fünf Uhr, wenn die ganzen Kneipen geräumt werden, dann ist der Akku gerade leer. Das kann doch nicht sein. Da muss man doch damit rechnen als Polizistin und Polizist und einen entsprechenden Ersatzakku oder eine zweite Kamera mit sich führen.
Das alles wird aber nur privat dokumentiert, wenn am Boden fixierte Menschen in Nieren und Gesicht getreten werden von Leuten, die eine Kampfausbildung haben und Springerstiefel tragen. Im normalen Leben wäre das versuchter Totschlag. Und dann stellen Sie sich hier hin, und die CDU wird dies wieder machen, wir haben die übliche Liste von Verdächtigen auf der Redeliste. Die CDU betreibt dann eine Täter-Opfer-Umkehr. Auf einmal ist nicht mehr die Polizeigewalt das Thema, sondern Gewalt gegen Polizei, und da übersehen Sie zum Beispiel, dass 2017 die §§ 113 und 114 Strafgesetzbuch verschärft wurden, sodass inzwischen etwas ganz anderes als Gewalt gegen Polizei gilt. Die bayerische Polizei zählt Beleidigungen dazu, Widerstand, tätlichen Angriff. Das alles ist angeblich alles Gewalt gegen die Polizei. Da wird noch nicht einmal differenziert zwischen versuchtem und vollendetem Widerstand.
Wir haben ein Polizeiproblem, und Aufgabe der Demokratie ist die Kontrolle der Exekutive, wie Sie das mit Peter Feldmann machen und nicht etwa, wie Sie das gegenüber der Polizei betreiben. Sie könnten vielleicht den Betroffenen etwas besser zuhören und diese Fälle von Polizeigewalt sehen, wenn Sie nicht permanent bis zum Hals im Hintern der Polizei stecken würden.
(Beifall)