Streaming ist kein Rundfunk

Antrag der ELF Piraten Fraktion zu B 419/2012

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

  1. Der Magistratsbericht B 419/2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Magistrat wird aufgefordert, mit handelsüblicher Consumer Electronics Hardware eine Audio- bzw. Videoaufzeichnung auf Computern zu realisieren und mithilfe eines Streaming-Dienstleisters Sitzungen live via Internet als Telemedienangebot zu übertragen.
  3. Nach Ende der Sitzungen stehen die Aufzeichnungen in HD-Qualität kostenfrei dauerhaft für Jedermann zum Download bereit.
  4. Diese Video- und Audioaufzeichnungen unterliegen einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland-Lizenz (CC BY-ND 3.0).

Begründung

Der Magistrat begreift das Übertragen von Plenar- und Ausschusssitzungen per Audio oder Video im Internet offenbar als Rundfunkdienst. Entsprechend exklusiv ist seine im Bericht B 419/2012 mit Ver­weis auf B 376/2010 kalkulierte Ausstattung. Der Magistrat geht davon aus, dass fünf ferngesteuerte HD-Kameras zum Stückpreis von je knapp € 10.000 angeschafft werden müssen. Ferner beziffert er Umbaukosten von € 33.700, die Anschaffung eines Medienservers für € 26.350, eine aufwendige Regie mit € 1.230 je Sitzung sowie monatliche Traffic-Kosten von € 466. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass er zwar grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber Übertragungen ist, aus Kostengründen jedoch ganz darauf verzichtet.

Durch Streaming wird interessierten Bürgerinnen und Bürger eine leichtere Teilhabe am politischen Prozess zu ermöglicht, eine breitere Öffentlichkeit hergestellt, die Reichweite der Sitzungen erhöht und die Tätigkeit der Stadtverordnetenversammlung besser nachvollziehbar. Darum sollte hier ein lösungs­orientierter und kostengünstiger Weg bestritten werden.

Zwei mobile Einheiten bestehend aus je

  • einer HD-Kamera mit Stativ aus dem gehobenen Consumer Electronics-Bereich (ca. € 1.000);
  • einem Netbook (ca. € 400) plus Video-Grabber USB-Stick (von € 12 bis € 100) für SD-Video (PAL-Fernsehqualität), was für Streaming völlig ausreicht;
  • alternativ einem leistungsfähigen Macbook / Notebook (von € 800 bis € 2.000) mit entsprechender HD-Video-Grabber-Karte (ca. € 300);
  • für Text-Einblendungen, wie z.B. Namensnennung oder Antragsnummern entsprechende Streaming-Software (ab € 80, Empfehlung: Telestream Wirecast, ca. € 500); reine AV-Übertragung funktioniert mit kostenfreier Software;
  • einem UMTS/LTE USB-Stick, der bei Abschluss eines Vertrags kostenfrei dabei ist; eine LTE-Flatrate mit 20 GB Freivolumen kostet je nach Anbieter ca. € 60-75 monatlich;

genügen als Ausstattung und sind auch von Mitarbeitenden des Büros der Stadtverordnetenversamm­lung nach kurzer Einweisung zu bedienen. Eine Regie wird dabei nicht benötigt. Wenn keine Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung, der KAV oder Ausschüsse tagen, könnte darüber hinaus leicht live aus Ortsbeiräten, von Veranstaltungen der Dezernate oder der Fraktionen übertragen werden.

Aus dem Plenarsaal kann per WLAN eine Video-Übertragung erfolgen. In den Ausschüssen, wo auf­grund der schlauchförmigen Sitzungssäle Video ungeeignet ist, genügt eine Audio-Übertragung. Mikro­fone sind ohnehin vorhanden, das Audiosignal sollte problemlos in den Computer eingespeist werden können. Auch hier wird per WLAN die Netzverbindung hergestellt. Bei extern tagenden Ausschüssen kommen die UMTS-Sticks zum Einsatz. Auf Umbauten im Plenarsaal kann gänzlich verzichtet werden.

Anstelle des Medienservers wird auf einen Streaming-Dienstleister zugegriffen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin nutzt beispielsweise dazu den Service der 3Q Medien GmbH (www.3qstreaming.com). Dort kostet das Video-Live-Paket pro Stream inkl. 15 GB Traffic monatlich € 99. Bei einigen hundert Nutzern kann von monatlichen Kosten in Höhe von € 200-300 ausgegangen werden, ein Maximalbetrag ist festlegbar. Bei parallelen Ausschusssitzungen werden zwei Live-Streams benötigt. Der Dienstleister transkodiert die Streams für verschiedenste Endgeräte und Netzanbindungen und ermöglicht die Einbettung z.B. in Facebook.

Die Qualität der gestreamten Video-Bilder ist abhängig von der Netzanbindung, aufgrund der Ausstat­tung der Sitzungen kann man aber grundsätzlich von einer sehr guten Tonqualität ausgehen. Im Nach­gang der Sitzungen werden die am Computer lokal aufgezeichneten HD-Videos auf den Server des Dienstleisters hochgeladen und stehen als hochqualitative Downloads bereit.

Zur rechtlichen Situation ist zu bemerken, dass ein Rundfunkbetrieb nur unter bestimmten Bedingungen vorliegt. Bei nicht journalistisch-redaktionell gestalteten Video-Livestreams, die unmittelbar am Com­puter der Betrachter wiedergegeben werden und/oder weniger als 500 gleichzeitige Nutzerinnen und Nutzer bedienen, handelt es sich nicht um Rundfunk-, sondern um Telemedienangebote. Audio-Streaming sowie Downloads/Video-on-Demand sind ebenfalls keine Rundfunkangebote. Der Deutsche Bundestag und zahlreiche Landtage streamen als Telemedienangebot und stehen für Rückfragen bereit.

Antragsteller

Stv. Martin Kliehm
Stv. Herbert Förster
Stv. Luigi Brillante

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