Überwachung der städtischen Kommunikation durch Geheimdienste

Anfrage der ELF Piraten Fraktion gemäß § 50 II Satz 5 HGO

Aktuelle Medienberichte legen die Überwachung der elektronischen Kommunikation durch die Geheimdienste der „Five Eyes Alliance“ in ungeahnten Ausmaßen offen. Im Rahmen der bisher bekannt geworden Projekte PRISM, Tempora, Bullrun und Edgehill können u.a. der US-amerikani­sche Militärnachrichtendienst National Security Agency (NSA) sowie der britische Nachrichten- und Sicherheitsdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) Zugriff auf nahezu jeg­liche elektronische Kommunikation erlangen, verschlüsselt oder nicht, insbesondere wenn sie über US-amerikanische oder britische Unterneh­men abgewickelt wird. Auch Hersteller von Smartphones (z.B. Apple, Google/Motorola) und Smart­phone-Betriebs­systemen (z.B. Apple, Google, Microsoft) sowie Hersteller von Verschlüsselungs- und Sicherungs­systemen unterliegen diesem Zugriff.

Die überproportional starke Präsenz von Unternehmen auf dem Markt der elektronischen Kommu­nikation, die eine Niederlassung in Großbritannien oder den USA unterhalten, sorgt dafür, dass faktisch alle Nutzerinnen und Nutzer von dieser Überwachung betroffen sind.

Aktuellen Berichten zufolge übertragen Geräte des kanadischen Herstellers Blackberry alle Pass­wörter zu E-Mail-Konten unverschlüsselt über US-amerikanische und britische Server. Smart­phones mit dem Betriebssystem Android geben die gespeicherten Passwörter von WLAN-Netz­werken an den Hersteller Google weiter und ermöglichen, z.B. beim Einsatz von sogenanntem Single-Sign-On, Geheimdiensten den Zugriff.

Microsoft hat laut einem Bericht der britischen Tageszeitung „The Guardian“ dem US-Geheimdienst NSA aktiv geholfen, die Daten-Verschlüsselung bei Diensten wie Outlook.com, SkyDrive oder Skype zu umgehen. Weiteren Berichten zufolge können die meisten Verschlüsselungssysteme von Geheimdiensten entschlüsselt oder umgangen werden.

Neben Bürgerinnen und Bürgern sowie privatwirtschaftlichen Unternehmen sind auch alle öffent­lichen Stellen Nutzer digitaler Kommunikation, und damit der Magistrat und sämtliche Leitungs­ebenen der städtischen Verwaltung und der stadteigenen Betriebe. In allen Fällen müssen sich die Kommunikationsteilnehmenden auf die Vertraulichkeit ihrer Kommunikation verlassen können.

Dokumente und Kommunikation von Regierungen und anderen Verfassungsorganen gehören traditionell zu den begehrtesten Zielen ausländischer Geheimdienste. Berichten zufolge ist dabei besonders der Netzwerkknoten in Frankfurt am Main im Fokus. Das US-Generalkonsulat in Frank­furt unterhalte zudem einen eigenen Lauschposten im Rahmen des „Special Collection Service“.

Dies vorausgeschickt, fragen wir den Magistrat:

  1. Ist der Magistrat der Auffassung, dass derartige Zugriffe von Nachrichtendiensten auf vertrau­liche Kommunikation von öffentlichen Stellen, Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen geeignet sind, die Sicherheit und Ordnung zu beeinträchtigen? Wenn ja, hat der Magistrat die Generalkonsulate insbesondere der USA und Großbritanniens zu Stellung­nahmen aufgefordert?
  2. Verwenden die Stadt Frankfurt am Main sowie stadteigene Betriebe Möglichkeiten zur Ver­schlüsselung ihrer elektronischen Kommunikation? Wenn ja, warum sind sie auf diesem Wege nicht für die Bevölkerung erreichbar?
  3. Welche IKT-Dienstleister nutzen der Magistrat, die Stadtverwaltung und die stadt­eigenen Betriebe seit dem Jahr 2010 zur Abwicklung ihrer elektronischen Kommunikation (E-Mail, Telefon, VoIP, Video- und Audiokonferenz, Hosting, Installation der Infrastruktur, Anbindung ans Netz etc.)? Wo sind die Standorte und Serverstandorte dieser Firmen? Bitte schlüsseln Sie die Dienstleistung nach Behörde, des in Anspruch genommenen Dienstes und Zeitraum der Inanspruchnahme auf.
  4. Bei welchen der in Anspruch genommen Dienste ist dem Magistrat bekannt oder ist anzu­neh­men, dass ein Zugriff auf Daten durch Geheimdienste oder andere Dritte erfolgt?
  5. Welche Dokumente und Datensätze, die personenbezogene Daten (Personalakten, Zeugnisse, dienstliche Beurteilungen, arbeitsmedizinische Bescheinigungen, Entgeltabrechnungen, eGovernment etc.) enthalten, werden von den Behörden regelmäßig in elektronischer Form empfangen, versendet oder sind maschinell abrufbar? Über welche Kommunikationswege und Dienstleister/ Ketten von Dienstleistern geschieht dies jeweils?
  6. Welche dieser Datenübertragungen von und zu Servern der Stadt Frankfurt erfolgen ver­schlüsselt und welche unverschlüsselt? Welche Verschlüsselungsmethoden von welchen Anbietern/ nach welchen Standards werden dazu genutzt?
  7. Wie bewertet der Magistrat unverschlüsselte Datenübertragung über Server, die nicht in der direkten physischen Kontrolle der Stadt Frankfurt am Main sind, insbesondere unter Berück­sichtigung der Erkenntnisse der letzten Wochen über die Aktivitäten verschiedenster Geheim­dienste, unverschlüsselte Kommunikation in großem Umfang abzuhören?
  8. Welche Maßnahmen unternimmt der Magistrat, um sichere, verschlüsselte Datenübertragung zum Standard behördlichen Handelns werden zu lassen? Falls es dazu ein IKT-Sicherheits­konzept gibt, bitten wir um Anlage im Wortlaut. Falls es keines gibt, warum nicht?
  9. Wie bewertet der Magistrat in diesem Zusammenhang die Eignung des nicht Ende-zu-Ende verschlüsselten Systems De-Mail?
  10. Über welche Schnittstellen zu Dritten verfügt das Verbindungsnetz der öffentlichen Verwal­tungen (DOI-Netz)? Befindet sich die gesamte Infrastruktur in öffentlicher Hand, oder werden dazu Knotenpunkte wie beispielsweise die von DE-CIX oder ECIX sowie Glasfasernetze privater Anbieter genutzt? Wenn ja, welche an welchen Standorten?
  11. Erfolgt die elektronische Kommunikation in der Stadtverwaltung und städtischen Eigen­betrie­ben aus­schließ­lich über das DOI-Netz?
  12. Nachdem nicht einmal mehr das Bankennetzwerk Swift vor der NSA sicher ist, glaubt der Magistrat weiterhin an die Sicherheit des DOI-Netzes? Wenn ja, was veranlasst ihn zu diesem Glauben?
  13. Wie bewertet der Magistrat den Einsatz von System- und Anwendungs-Software US-ameri­kanischer Hersteller (z.B. Microsoft Windows, Microsoft Office) in städtischen Behörden und Eigenbetrieben angesichts der oben genannten Berichte, dass diese Unternehmen mit US-Geheimdiensten kooperieren und z.B. Sicherheitslücken zunächst an diese weitergeben?
  14. Welche Vorschriften und Regelungen gelten für die Speicherung und elektronische Über­mitt­lung (incl. Fax) von personenbezogenen medizinischen Daten, Patientenakten und Befunden? Nehmen Sie insbesondere Stellung zu der Frage, welche Formen und Stärken von Verschlüs­selung angemessen sind.
  15. Welche Sanktionen sind vorgesehen, wenn personenbezogene medizinische Daten, Patienten­akten und Befunde nicht ausreichend geschützt gespeichert oder übermittelt werden?
  16. Hält der Magistrat die derzeitigen Regelungen zum Schutz personenbezogener medizinischer Daten, Patientenakten und Befunde angesichts des Ausmaßes der Kompromittierung von Nach­richtenübermittlungs- und Datenspeichersystemen durch Geheimdienste für ausreichend? Nehmen Sie insbesondere dazu Stellung, ob Systeme US-amerikanischer Herkunft für diesen Zweck als vertrauenswürdig genug eingestuft werden können.
  17. Plant der Magistrat Maßnahmen, den Schutz von personenbezogenen medizinischen Daten, Patientenakten und Befunden auf Datenspeicherungs- und Nachrichtenübermittlungssystemen zu stärken?
  18. Welche Mobiltelefone/Smartphones – unter Angabe von Hersteller, Modell und Betriebssystem/ Version – werden vom Oberbürgermeister, dem Bürgermeister, den Dezernentinnen und De­zernenten, den Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern der Magistratsbüros, sowie den Mitglie­dern der höheren und mittleren Leitungsebenen in der Verwaltung bzw. den stadteigenen Betrieben für dienstliche Zwecke genutzt?
  19. Über welche Systeme zur Verschlüsselung und Sicherung von Gesprächen und Daten verfügen die Mobiltelefone/ Smartphones der in Frage 18 genannten Personengruppen jeweils?
  20. Welche Instant-Messaging-Dienste nutzen die in Frage 18 genannten Personengruppen auf dienstlichen Mobiltelefonen/ Smartphones?
  21. Über welche Dienstleister wird der dienstliche Mobilfunk des Oberbürgermeisters, des Bürger­meisters, der Dezernentinnen und Dezernenten sowie der Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und der stadteigenen Betriebe abgewickelt?
  22. Wie wird die Vertraulichkeit der telefonischen Kommunikation des Magistrats gewährleistet vor dem Hintergrund der in den letzten Wochen öffentlich gewordenen Abhörmöglichkeiten auslän­discher Geheimdienste sowie der berichteten Sicherheitslücken und Backdoors bei Android- und Blackberry-Mobiltelefonen?
  23. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet? Sind diese Quellen im Internet abrufbar? Falls ja, unter welchen Adressen? Wäre es möglich, diese auf frankfurt.de bzw. dem zukünftigen Open Data-Portal der Stadt einzustellen und fortlaufend zu aktualisieren?

Anfragesteller:

Stv. Martin Kliehm
Stv. Herbert Förster
Stv. Luigi Brillante

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