Wo darf Opa endlich schwul sein?

Anfrage der ELF Piraten Fraktion gemäß § 50 II Satz 5 HGO

Die repräsentative britische Studie „Lesbian, Gay and Bisexual People in Later Life“ (Stonewall, 2010) untersuchte die sozialen Lebensaspekte von Lesben, Schwulen und Bisexuellen über 55 Jahren. Dabei zeigte sich, dass sie deutlich öfter als die heterosexuelle Vergleichsgruppe unter Vereinsamung leiden, da sie häufiger Single sind, häufiger alleine leben, seltener Kinder und seltener regelmäßigen Kontakt zu ihrer biologischen Familie haben. Sie haben ein höheres Risiko des Alkohol- und Drogenkonsums sowie eine Gefährdung durch psychische Erkrankungen, insbesondere durch Depressionen.

Ein Großteil von ihnen ist skeptisch, dass ambulante oder stationäre Pflegekräfte ihre Bedürfnisse verstehen und sich adäquat verhalten könnten. Ein etwas geringerer Teil bezieht diese Sorgen auch auf psychologische Dienste.

Jeder fünften Person wäre es unangenehm, ihre sexuelle Orientierung ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin oder dem Pflegedienst zu offenbaren. Ihre Erfahrungen sind geprägt von „bestenfalls Ignoranz, schlimmstenfalls Homophobie“. Dennoch würden doppelt so viele homo- und bisexuelle Menschen diese Dienste in Anspruch nehmen als ihre heterosexuellen Altersgenoss*innen mangels familiärer Bindungen. 95% möchten lieber zuhause gepflegt werden, 70% glauben nicht, dass sie in einem Alten- und Pflegeheim leben könnten, und 65% sind überzeugt, sie müssten dort Dinge über sich verheimlichen.

Dies ähnelt den Erfahrungen und Empfehlungen des „Runden Tisches zur Situation von Lesben und Schwulen in Frankfurt“ aus den Jahren 2002-2004 (B 454/2004). In den Folgeberichten basie­rend auf dem Beschluss § 10452 vom 15.12.2005 nimmt das Thema „Alter, Generationen und Sozialarbeit“ vergleichsweise wenig Raum ein, weswegen wir um eine detailliertere Beantwortung bitten:

  1. Was wurde aus dem Altenpflegayheim? Die mit städtischen Mitteln mitfinanzierte Bedarfsstudie ergab „ein klares Votum für die Realisierung des Projektes“. Zwar gab es inzwischen eine Fachtagung über „ältere pflege­bedürftige Homosexuelle im Pflegeheim“, und zwei Pflegeheime sind mit dem „Regenbogen­schlüssel“ für aktive Toleranz ausgezeichnet. Doch ein eigenes Haus gibt es nicht. Sieht der Magistrat weiterhin einen Bedarf für ein Altenpflegayheim? Wie sollen die Betroffenen ange­messen und würdevoll versorgt und berücksichtigt werden? Welche spezifischen ambulanten, sozialen und stationären Angebote stehen diesem Personenkreis offen? Hält der Magistrat diese Angebote quantitativ und qualitativ für ausreichend?
  2. Gibt es den vor zehn Jahren angeregten ehrenamtlichen Besuchsdienst mittlerweile?
  3. Gibt es regelmäßige Fortbildungsangebote für ambulantes und stationäres Pflege- sowie medizinisches Personal zu den Bedürfnissen, Süchten und Ängsten von homo-, bi- oder trans­sexuellen Senior*innen?
  4. Wie spiegeln sich diese Punkte in Awareness-, Pflege- und Antidiskriminierungsleitlinien der Träger von Altenwohnanlagen und -Pflegeheimen gegen Homophobie wieder?
  5. Welche Anstrengungen werden unternommen, um gezielt Pfleger*innen aus dem LGBT-Spektrum für eine angemessen bezahlte Tätigkeit in der Altenhilfe in Frankfurt zu gewinnen?

Anfragesteller

Stadtv. Martin Kliehm
Stadtv. Luigi Brillante
Stadtv. Herbert Förster

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