Keine Vorratsdatenspeicherung bei der Stadt Frankfurt!

Insbesondere Menschen, die sich keinen Internetzugang zuhause leisten können, sind auf die kostenfreie Internetnutzung in den Bibliotheken der Stadtbücherei Frankfurt angewiesen. Dabei werden umfangreiche Verkehrsdaten erhoben und 90 Tage gespeichert, bis hin zu der Adresse jeder einzelnen aufgerufenen Webseite. Das gleiche gilt für die Nutzung des Internetzugangs über das städtische Netz in anderen Bereichen: an Schulen, für die außerdienstliche Nutzung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Frankfurt, der Fraktionsbüros und der Stadtverordneten.

Der Stadtverordnete Martin Kliehm hat hierzu einige Webseiten in der Stadtbibliothek aufgerufen und sich anschließend gemäß Hessischen Datenschutzgesetz die über ihn erhobenen Daten aushändigen lassen. In fünfzehn Minuten Nutzung hat die Stadt Frankfurt ausgedruckt 81 Seiten Verkehrsdaten erhoben. Ein hierzu von der ELF Piraten Fraktion beauftragtes Rechtsgutachten durch den Richter am Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Meinhard Starostik, kommt zu folgenden Ergebnissen:

  • Die öffentlichen Bibliotheken der Stadt Frankfurt sind keine Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Der Erlaubnistatbestand des § 96 TKG für die Speicherung von Verkehrsdaten greift nicht. Die Erhebung und Speicherung der Nutzungsdaten ist rechtswidrig.
  • Selbst wenn sie ein Anbieter im Sinne des TKG wäre, etwa durch die Bereitstellung eines WLAN-Zugangs, ist die Erhebung der aufgerufenen Webseiten und des Zeitpunkts des Aufrufs unzulässig. Die Benutzernummer ist nach Ende der Nutzung zu löschen.
  • Eine Protokollierung der Verkehrsdaten zu Abrechnungszwecken scheidet aus, weil die Nutzung kostenlos ist.
  • Zur Abwendung einer Störerhaftung würde es ausreichen, darauf hinzuweisen, dass eine rechtwidrige Nutzung nicht erlaubt ist.
  • Die Protokollierung des Nutzungsvorgangs bei Chats und anderen Kommunikationsvorgängen greift in das Grundrecht des Telekommunikationsgeheimnisses aus Artikel 10 Absatz 1 GG ein. Die Protokollierung der aufgerufenen Webseiten verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
  • Die Betätigung des „Ja“-Buttons beim Login stellt keinen wirksamen Grundrechtsverzicht dar. Er stellt keine Einverständniserklärung dar, sondern eine elektronische Zugangssperre. Es fehlt die Freiwilligkeit, da die Nutzerin oder der Nutzer keine andere Wahl hat, insbesondere wenn es sich um finanziell benachteiligte Personen handelt. Der Hinweistext ist in mehrfacher Hinsicht irreführend. Insofern verstößt dieser Vorgang auch gegen § 7 Abs. 2 des Hessischen Datenschutzgesetzes.
  • Die Protokollierung ist ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte. Sie ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig.

Dies vorausgeschickt, möge die Stadtverordnetenversammlung beschließen:

  1. Die rechtswidrige Vorratsdatenspeicherung durch die Stadt Frankfurt wird unverzüglich beendet und die erhobenen Verkehrsdaten werden gelöscht.
  2. Der bisherige, irreführende Hinweistext wird ersetzt durch einen schlichten Hinweis auf die Einhaltungspflicht der gesetzlichen Vorgaben durch die Nutzerin oder den Nutzer.
  3. Der Magistrat prüft die Beantragung des Status der Stadt Frankfurt als Internetserviceprovider bei der Bundesnetzagentur und berichtet der Stadtverordnetenversammlung.

Antragsteller*innen

  • Stadtv. Carmen Thiele
  • Stadtv. Dominike Pauli
  • Stadtv. Lothar Reininger
  • Stadtv. Luigi Brillante
  • Stadtv. Martin Kliehm
  • Stadtv. Merve Ayyildiz
  • Stadtv. Dr. Peter Gärtner
Dieser Beitrag wurde unter Anträge abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben