Digitale Infrastruktur, Breitbandausbau und energieeffiziente Rechenzentren

Zugehörige Vorlagen: NR 454 (CDU/Grüne), NR 510/2013 (FDP)

Kontext: Wortprotokoll über die 19. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 28. Februar 2013 (16.02 Uhr bis 23.28 Uhr), TOP 7, Digitale Infrastruktur energie- und flächeneffizient ausbauen

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Sehr verehrte Damen und Herren!

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal Frau Tafel-Stein zustimmen würde, auch wenn die Rede vom Büro des Dezernenten geschrieben wurde.

(Zurufe, Heiterkeit)

Bis auf die Geschichte mit dem Atomstrom, da muss ich Ihnen stark widersprechen. Wo ich Ihnen recht gebe ist, dass der gemeinsame Antrag von CDU und GRÜNE ein Schaufensterantrag ist. Die beiden Vorredner haben es bereits betont, ich möchte jetzt nicht zum dritten Mal die Antragspunkte vorlesen, aber wir haben dort sehr viele Phrasen darin und letzten Endes brauchen wir keine Wachstumsprognose oder Flächenbedarfsanalyse, sondern wir brauchen eine ultraschnelle Anbindung. Da ist Bedarf, und das ist auch das, was Digital Hub letztlich besagt.

In Ihrem dritten Punkt haben Sie dann einen richtigen Punkt aufgegriffen, nämlich, dass die Hochschulen im Rhein-Main-Gebiet mehr in Forschung investieren müssten, das sagt auch die Europäische Kommission. Wir sind noch weit von den Zielen in Forschung und Entwicklung von IKT entfernt. Wenn Sie sich einmal die Hochschulen, die in diesem Bereich in Deutschland forschen, ansehen, dann findet sich nur eine einzige Universität im Rhein-Main-Gebiet unter den Top 20, und das ist Mainz. Das heißt also, hier können wir tatsächlich noch viel tun. Das Problem ist, wenn die KAV einen Antrag stellt, die Universität möchte zum Beispiel eine Außenstelle der Ausländerbehörde einrichten, dann sagen Sie, dass Sie nicht für die Hochschulen zuständig sind und dass Sie ihnen nicht reinreden wollen.

Jetzt bringen Sie plötzlich einen Antrag ein, wo Sie sagen, die Universität soll forschen. Das ist das eine Problem. Das andere Problem ist, jedes Mal, wenn wir einen Antrag stellen, die Stadt Frankfurt möge bitte von den 80 Milliarden Euro EU-Fördergeldern, die in der Digitalen Agenda zur Verfügung stehen, etwas abrufen, sagen Sie: „Oh, das ist zu kompliziert, dort Anträge zu stellen, wir schaffen das nicht, die auszufüllen.“ Aber hier könnten Sie tatsächlich einmal Anträge ausfüllen und für Forschung und Entwicklung im IKT-Bereich EU-Fördergelder absahnen.

Der Antrag ist deshalb ein Schaufensterantrag, weil die Unternehmen in der Serverhosting-Branche dies schon längst betreiben. Natürlich haben sie erkannt, dass der Energieverbrauch einer der wesentlichen Kostenfaktoren ist. Ich nehme einmal das Beispiel Google. Google ist verantwortlich für 0,01 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs, das ist schon ganz ordentlich. Google hat im Jahr 2010 2,3 Milliarden Kilowattstunden Energie verbraucht und hat es in den letzten zehn Jahren – deswegen ist das ein alter Hut, was Sie dort bringen –, durch Verbesserungsmaßnahmen geschafft, zwei Drittel weniger Energie zu verbrauchen. Google verbraucht jetzt nur noch ein Drittel von dem ursprünglichen Verbrauch. Dadurch wurde bisher eine Milliarde Dollar an Einsparungen erreicht. Das ist schon längst in der Branche angekommen und Google veröffentlicht diese Case Studies, Sie müssen nur im Internet nachschauen, da muss die Stadt Frankfurt nicht einmal groß forschen. Google veröffentlicht Best Practices und das können Sie überall nachlesen.

Es gibt zum Beispiel bereits einen Standard für die Stromverbrauchseffizienz. Dort wird verglichen, wie viel des Stroms tatsächlich für die Computer verwendet wird und wie viel Prozent für die zusätzliche Energie, wie zum Beispiel die Kühlung. Normal ist für diese zusätzliche Energie beim Rechenzentrum etwa 100 Prozent von dem, was man auch für die Rechner benötigt. Google liegt da bei zwölf Prozent. Dann haben Sie in Ihrem Antrag stehen, dass man in Amsterdam Meerwasser zur Kühlung verwendet. Google verwendet einfach die Außenluft, im Winter ist es auch kalt, das heißt, man kann diese kalte Luft auch in unseren Breiten und ganz ohne Meer vor der Tür nutzen. Es wird der Luftfluss überprüft, das heißt, es werden Messungen vorgenommen, wo die Hotspots in den Rechenzentren sind. Warme und kalte Gänge werden einfach durch Plastikvorhänge voneinander getrennt. Ich bin einmal gespannt, wenn mir im Mai das Rechenzentrum der Stadt Frankfurt besichtigen, ob dies dort auch geschieht. Das sind ganz simple Maßnahmen, die extrem viel Energie einsparen können. Es ist ein Mythos, dass Rechenzentren immer kühl sein müssen. Regulär waren es immer 15 bis 21 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent, aber moderne Prozessoren können auch durchaus mit 27 bis 35 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit, die zwischen 20 und 80 Prozent rangiert, arbeiten. Das heißt also, dort besteht viel weniger Bedarf an technischer und mechanischer Klimatisierung. Letzten Endes ist es jetzt auch sehr wichtig, den Energieverlust der Transformatoren zu minimieren. Google ist dabei inzwischen bei 15 Prozent des ursprünglichen Energieverbrauchs angelangt und braucht keinen Atomstrom dafür, denn Google verwendet beispielsweise zu 100 Prozent regenerative Energien und hat eine positive CO2-Bilanz, weil sie eben noch CO2-Zertifikate ankaufen.

Nun zu dem, was die Forschung angeht, die Unternehmen, die Prozessoren herstellen. Intel und AMD haben das schon längst auf dem Schirm, denn sie produzieren seit mehreren Jahren bereits energieeffiziente Prozessoren. Herr Amann hat angeregt, dass es jetzt einmal an der Zeit wäre, diese Maßnahmen selbst umzusetzen. Ich habe es schon erwähnt, dass ich auf die Besichtigung des zentralen Rechenzentrums der Stadt Frankfurt sehr gespannt bin. Wir haben schon gehört, dass es zu 15 Prozent ausgelastet ist und 2,3 Millionen Euro Miete kostet. Letzten Endes wird diese Miete zur Förderung der OFB, einer Tochtergesellschaft der Helaba, verwendet. Der ehemalige hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel, CDU, ist der Geschäftsführer der OFB. Das ist ein verkapptes PPP‑Projekt, das wir da gebaut haben. Wir haben der OFB über 20 Jahre garantiert, dass sie ihre Millioneneinnahmen an Miete hat. Wir hätten zu dem Preis zwei Rechenzentren bauen können.

Jedenfalls hat Herr Amann angesprochen, dass E‑Government nicht so recht vorangeht. Die Europäische Kommission schätzt, dass, wenn man E‑Government konsequent umsetzt, dadurch Kosten von 15 bis 20 Prozent eingespart werden können. Das wäre einmal etwas für eine Verwaltungsreform, die Herr Stein anregen und in die Wege leiten könnte, aber ich habe noch nichts dergleichen gesehen. Es gibt dabei keinerlei Fortschritt.

Statt nun Schaufensteranträge zu formulieren, brauchen wir tatsächlich eine Verbesserung in der Infrastruktur. Deutschland liegt dabei nicht ganz hinten, sondern eher im Mittelfeld. Die Forderung der EU ist auf dieser Ebene, dass eine großflächige Versorgung bei einer Downloadgeschwindigkeit von über 100 Megabit pro Sekunde vorhanden sein soll und einer Uploadgeschwindigkeit von über 30 Megabit pro Sekunde. Davon sind wir noch weit entfernt, weswegen ich dann zu unserem Antrag komme, 10 Gigabit pro Sekunde.

Wenn Sie jetzt 100 Megabit gegenüber 10 Gigabit pro Sekunde hören, ist das noch einmal eine Steigerung. Man muss auch einmal Visionen haben und man muss sich Ziele stecken, die es wirklich lohnt, anzustreben, und nicht nur Phrasen in Anträge verpacken. Wir haben in Frankfurt bereits jetzt Leerrohre in den Straßen liegen. Wir graben die Straßen auf und machen sie wieder zu. Andere Städte, und da gibt es viele Beispiele, Stockholm, San Francisco, Paris, Wien, Amsterdam, Zürich und Mailand, machen es bereits, dass, wenn sie die Straße aufgraben, sie dort neue Leerrohre verlegen. Sie verlegen zum Teil selbst auch Glasfaserkabel dort. Sie machen sich aber nicht den Umstand, dann den Service an den Kunden zu geben, sondern sie vermieten diese Leerrohre und diese Glasfaserkabel an Unternehmen und machen damit am Ende sogar noch ein Plus.

Wichtig ist auch bei diesem Punkt, und das haben wir auch in unserem Antrag in der Begründung geschrieben, dass die städtische Infrastruktur auch in der Hand der Stadt bleiben muss, denn nur so können wir Monopole vermeiden. Auch das steht auf der Digitalen Agenda 2010. Die Glasfasernetze müssen für alle offen sein, für verschiedene Anbieter, denn nur dann kann ein Wettbewerb stattfinden. Ich könnte mir zum Beispiel auch vorstellen, dass Bürgervereine selbst verschiedene Stadtteile oder Häuser anschließen könnten. Mit 10 Gigabit pro Sekunde könnten wir richtig viel machen.

Meine Redezeit ist damit auch beendet. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

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