Beförderungsdienst für schwer gehbehinderte Menschen

Zugehörige Vorlagen: M 136/2013, Antrag NR 713 (SPD, LINKE und Piraten)

Kontext: Rede von Martin Kliehm; Wortprotokoll über die 25. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 10. Oktober 2013, TOP 7, Beförderungsdienst

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Sehr verehrte Damen und Herrn!

Ich finde es schon bemerkenswert, da kommt ein Gegenvorschlag der Opposition auf einen Vortrag des Magistrats und prompt gibt es eine ellenlange Maßgabe zu dem eigenen Vortrag, der offenbar fehlerhaft war, da diese letzten Endes ganz viele Punkte von dem Antrag der Opposition aufgreift. Warum machen Sie es denn nicht gleich ordentlich? Warum sprechen Sie nicht gleich mit der FBAG, außer diesem einen Treffen vor langer Zeit, wo ein Kompromiss über 3.200 Euro pro Jahr ausgehandelt wurde, der sich aber jetzt in dem Magistratsvortrag so nicht widerspiegelt, im Gegenteil.

Momentan ist die Situation so, dass man für vier Fahrten pro Woche, bei 52 Wochen Taxischeine, Kartenäquivalente in Höhe von 23 Euro pro Fahrt bekommt, das sind 4.784 Euro. Diese Regelung gibt es seit Anfang der Achtzigerjahre, seitdem war das Geld im Haushalt drin. Jetzt möchten Sie das teilweise um bis zu 90 Prozent einschneiden. Sie möchten jetzt dieses Budget abhängig vom Einkommen auf 500 Euro beziehungsweise auf bis zu 1.000 Euro, wenn jemand einen Frankfurt-Pass hat, beschränken. Das ist ein Einschnitt von 80 bis 90 Prozent, was wir als sehr unsozial ansehen.

Herr Siegler hat einige Dinge genannt – Herr Schenk hat es gerade schon angesprochen –, die leider nicht von einer besonders großen Kompetenz zeugen, was mich ehrlich gesagt wundert. Er hat zum Beispiel gesagt, Mobilität und Teilhabe wäre normalerweise das in den Schulen, wo es darum geht, Kinder zu integrieren, damit sie an einem Schulsystem teilhaben können. Nein, es geht eben genau nicht um die Integration, es geht darum, dass alle Menschen in der Lage sein sollen, am gesellschaftlichen und sozialen Leben teilzuhaben. Das heißt also, die Kinder werden nicht integriert, sondern die Schule muss sich so anpassen, dass sie in der Lage ist, die Diversität der Schülerinnen und Schüler abzudecken, ohne dass Kinder irgendwo ausgesondert werden.

Genauso verhält es sich mit der Mobilität. Wir müssen allen Menschen dieser Stadt ein Angebot machen, mobil sein zu können, damit sie am gesellschaftlichen, sozialen Leben teilhaben können. Das muss aber auf die Bedürfnisse der einzelnen Menschen zugeschnitten sein. Es genügt also nicht zu sagen, wir haben vielleicht im Jahr 2022 den barrierefreien ÖPNV und außerdem haben wir für die Schwerbehinderten die Fahrdienste. Dazwischen gibt es eben das, was dieser Beförderungsdienst mit den Taxen abdeckt. Das heißt nicht, dass jemand, der ein Taxi benutzen kann, nicht auch auf den Rollstuhl angewiesen sein kann. Wir haben in den Ausschüssen gehört, dass die Menschen zum Teil noch nicht einmal in der Lage sind, die barrierefreien Haltestellen zu erreichen, weil sie bis dahin 500 Meter laufen müssten. Das schaffen sie einfach nicht. Genau dafür brauchen sie den Taxibeförderungsdienst, der sie zu ihrem Zielort bringt und nicht irgendwo an einer Haltestelle rausschmeißt.

Wir haben in unserem Antrag gefordert, dass ein ausreichendes Budget für ein halbes Jahr gewährleistet wird. Sie halten an Ihren starken Einschnitten fest, sagen aber in der Maßgabe, dass dieses Budget, wenn es nach mehreren Monaten nicht ausreicht, unbürokratisch im Sinne von § 53 SGB XII erhöht werden soll. Warum erhöhen Sie es nicht gleich von vorneherein?

(Beifall)

Sie machen prophylaktisch eine Nachbesserung, möchten aber gleichzeitig einen Fragebogen erstellen. Ich habe nichts gegen einen Fragebogen, aber in einer Ausschusssitzung wurde schon deutlich gemacht, dass Sie viel mehr als nötig wissen möchten, zum Beispiel für was die Leute ihre Fahrten benutzen. Sprechen Sie bitte vorher mit dem Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt, damit diese Fragebögen anonymisiert werden, damit nicht zugeordnet werden kann, wer wohin und zu welchem Zweck gefahren ist. Denn auch die Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf Privatsphäre.

(Beifall)

Verwundert hat mich auch, dass Sie gesagt haben, im Bereich Soziales wird die Last gleichmäßig verteilt. Ich habe noch in Erinnerung, dass gesagt wurde, nein, wir möchten im Bereich Soziales und Bildung nicht einsparen. Jetzt müssen wir eine Last gleichmäßig verteilen und sparen dabei an Steinen. Die Kunden von Sozialrathäusern sind aber keine Steine, sondern Menschen, die dorthin gehen, um Sozialleistungen zu empfangen. Wenn eben diese Menschen nicht mehr in der Lage sind, ihr Sozialrathaus zu erreichen oder extrem weite Wege und Umwege in Kauf nehmen müssen, dann betrifft das nun einmal Menschen und nicht Steine.

Insofern, ich sagte es schon, wundert es mich sehr, dass Sie diese große Maßgabe zu Ihrem eigenen Vortrag gemacht haben – das ist eigentlich sehr ungewöhnlich hier in diesem Gremium – und am Ende dann doch nicht den Forderungen der Opposition zustimmen. Wenn Sie gleich unserer Forderung zustimmen, brauchen Sie keine Nachbesserung des Budgets, denn wir haben bereits mit der FBAG gesprochen. Von der CDU war bei diesem Treffen niemand da. Die FBAG, das heißt die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung in dieser Stadt, hat eindeutig kundgetan, es gab einen Beschluss der dokumentiert und protokolliert ist, dass sie diese starken Einsparungen nicht haben möchte.

Es war bereits ein Kompromiss, von diesen 4.784 Euro auf 3.200 Euro herunterzugehen. Das heißt also, dort war man schon bereit zu verhandeln. Gleichzeitig wurde eben auch gesagt, dass diese Evaluation nach einem Jahr zu spät ist. Sie sind jetzt immerhin auf ein halbes Jahr heruntergegangen. Das bringt aber den Leuten nichts, wenn nach einem halben Jahr ihr Budget aufgebraucht ist und dann gesagt wird, diese Fahrten könnt ihr nicht mehr machen, nur noch die nach § 53. Ich denke, dass dies nach einen halben Jahr dazu führen wird, dass die Menschen nicht mehr ihre Wohnung verlassen können und dann warten müssen, bis ihr neues Budget kommt. Da hilft auch keine Telefonberatung.

Deswegen stimmen wir gegen den Vortrag des Magistrats und stimmen im Sinne unseres eigenen Antrags.

(Beifall)

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