Räumung der Krifteler Straße 84

Kontext: Rede von Martin Kliehm; Wortprotokoll über die 25. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 10. Oktober 2013, TOP 4, Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1093

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Wir hatten zu diesem Punkt hier letzten Monat auch eine dringliche Anfrage gestellt. Die Dringlichkeit wurde beschieden und es wurde gesagt, der Magistrat möge in einem Monat antworten. Jetzt hat der Magistrat entschieden, dass er gerne noch drei Monate mehr hätte, was mich etwas verwundert, oder andererseits auch wieder nicht, denn die Dinge, die wir in unserer dringlichen Anfrage angefragt haben, waren alles Sachen, die man so durch Äußerungen des Magistrats oder ihrer Dezernatsmitarbeiter bereits in der Zeitung lesen konnte. Von daher sehe ich eigentlich keinen Grund, das vier Monate hinzuschieben, es sei denn, man möchte eine öffentliche Diskussion darüber verhindern.

Ich muss Herrn Frank auch in seiner Darstellung von vorhin widersprechen. Er sagte, durch das Eingreifen der Polizei sei eine Räumung verhindert worden. Die Polizei war leider zu schnell, hätte aber deeskalierend und gewaltfrei dort eingegriffen. Dem muss ich widersprechen. Wir hatten auch drei Zeugen im Ausschuss für Recht, Verwaltung und Sicherheit, es gab Zeitungsartikel unisono in der Rundschau, in der FAZ und auch mit Zeugenaussagen in der TAZ. Diese Leute haben nach Ansicht des Magistrats offenbar alle gelogen, denn die Polizei war nach Ansicht des Magistrats gewaltfrei.

Das ist eben nicht der Fall. Die Polizei ist dort mit fünf bis sechs muskelbepackten Zivilkräften in Trägershirts, tätowiert bis oben hin, hingestürmt, sodass die Menschen, die vor Ort waren, erst einmal an einen Überfall von Nazis geglaubt haben. Wenn Sie die Fotos sehen, würden Sie das Gleiche denken.

(Zurufe)

Da würden Sie das Gleiche denken, das sind Leute, denen möchte ich nicht alleine nachts im Dunkeln begegnen. Die waren keineswegs gekennzeichnet, was im Widerspruch zu dem steht, was uns der Polizeipräsident dazu glauben machen möchte. Sie haben erst viel später ihre Armbinden angelegt, und man musste davon ausgehen, dass es sich dort gerade um einen Überfall von politisch Andersgerichteten handelt.

Durch diesen Überfall hat die Polizei auch gegen einige gesetzliche Regelungen verstoßen, denn zum einen gilt die Maßregel der Verhältnismäßigkeit, ein unmittelbarer Zwang darf erst als letztes Mittel und nach Androhung geschehen, und zum anderen gilt das Kommunikationsgebot. All dies hat dort nicht stattgefunden und deswegen war dies eigentlich höchst rechtswidrig. Außerdem kam es im Vorfeld nicht zu einer Kommunikation mit der Stadt. Der Leiter des Liegenschaftsamtes kam zu spät, diese Leute hatten keine Chance, das Gelände freiwillig zu verlassen, das wird noch ein juristisches Nachspiel haben.

Vielen Dank!

[…]

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Ich möchte mich zunächst gegen die pauschale Unterstellung wehren, ich hätte gesagt, Polizisten seien Nazis. Das habe ich so niemals gesagt und auch die Besetzerinnen und Besetzer haben sich zuerst Hilfe suchend an die eintreffenden uniformierten Kräfte gewandt und haben gesagt, endlich ist die Polizei da, wir werden gerade von Nazis überfallen. Es ist also keineswegs so, dass die Polizei ausschließlich als Feind oder als rechtsradikal begriffen wird, sondern in diesem Fall haben selbst die Hausbesetzerinnen und Hausbesetzer sich Hilfe suchend an die eintreffenden, uniformierten Polizeikräfte gewandt. Von daher kann ich eine pauschale Verurteilung dort überhaupt nicht sehen.

Zur Verhältnismäßigkeit: Ja, die Polizei hatte gerade durch die Salafisten‑Demo am Roßmarkt ein paar Hundertschaften übrig inklusive Hubschrauber und SEK und allem, was sich ein Innenminister so wünscht. Ich halte das aber nicht für verhältnismäßig, wenn dort eben diese Hundertschaften bei der Besetzung eines Hauses eingesetzt werden, wenn das SEK mit Wurfhaken und Kletterausrüstung kommt und vor allem, wenn man den friedlichen Besetzern keine Chance gibt, das Gelände freiwillig zu verlassen, indem eben gerade keine Ansprache stattfindet.

Auch im Nachhinein fand ich die Reaktionen unsäglich. Ich habe es noch nie erlebt, dass die Pressestelle des Polizeipräsidiums öffentlich eine Person anprangert und weitere Strafanzeigen androht. Repression hat einige Facetten, aber dies habe ich noch nie erlebt. Als Nächstes wird mit vollem Namen und Foto derjenige, der im Haus war, um sein Kind dort herauszuholen, in der BILD-Zeitung angeprangert. Von denen habe ich nichts anderes erwartet. Als Rechtfertigung wird dann einiges genannt, unter anderem, dass in diesem leer stehenden Haus eine Kita oder vielleicht ein Gymnasium gebaut werden soll. Das Gymnasium fordern wir schon seit Jahren, das liegt in weiter Ferne.

Ich finde es vielleicht illegal, Häuser zu besetzen und es ist eine Strafsache, sicher, auf der anderen Seite ist es aber legitim, in meinen Augen, um auf die Probleme des langjährigen Leerstandes hinzuweisen, auf den Mietdruck, gerade im Gallus. Da stehen dann die Hausbesetzer letztlich auch in der Tradition unseres Oberbürgermeisters, der seinerzeit den Eschenheimer Turm besetzt hat. Er ist dort auch nicht in den Ortsbeirat gegangen und hat gesagt, wir haben Mietprobleme, sondern er hat gehandelt und dadurch eine Medienöffentlichkeit erreicht, und das finde ich durchaus legitim.

(Beifall)

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