Schließung des städtischen Krematoriums

Zugehörige Vorlagen: M 187/2013, NR 720 (Römer), NR 736 (Piraten)

Kontext: Wortprotokoll über die 26. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 14. November 2013, TOP 9, Schließung des Krematoriums

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich habe mich zu diesem Tagesordnungspunkt gemeldet, weil es mit dem Krematorium wirklich ein Trauerspiel ist. Wir haben hier eine Kapitulation vor der eigenen Fantasielosigkeit, sowohl des Magistrats als auch der Verwaltung. Der Kollege hat es gerade gesagt, offenbar gibt es seit dem Jahr 2005 eine Entwicklung, die hier in der Stadt verschlafen wurde. Man konnte es in diversen Zeitungsartikeln lesen, wo auch Bestatter interviewt wurden. Da wurde gesagt, dass es in Frankfurt keinen Service gibt. Woanders würde auch einmal beim Ausladen geholfen werden, da könnte man mit einer Person hinfahren, nach Frankfurt muss man mit zwei Personen fahren. Soviel zum Thema Wirtschaftlichkeit.

In anderen Krematorien gibt es offenbar eine Fahrtkostenerstattung oder einen Bonus, auch um einen Anreiz zu schaffen, dass dort kremiert wird und Bestatter diese Krematorien anfahren. Dies alles gibt es in Frankfurt nicht. Wir haben keine Anpassung an den Markt gesehen, stattdessen hat das Krematorium 19 Jahre vor sich hin existiert. Die Perspektive – die wir mit der Vorlage B 517 im nächsten Monat besprechen werden, nachdem die Schließung des Krematoriums schon beschlossene Sache sein wird – wird sein, dass vielleicht ein neues Krematorium gebaut werden soll, aber das ist schon von vorneherein so dimensioniert, dass es 300.000 Euro Verlust macht. Deswegen lassen wir es am besten sein. Die Stadt Frankfurt könnte das auch gar nicht wirtschaftlich bauen, denn die anderen Krematorien bestechen durch Lohndumping, müssen keine Tariflöhne zahlen und können günstigen Atomstrom benutzen. Sind wir in Frankfurt, haben wir eine schwarz-grüne Koalition?

(Zurufe)

Genau das, was Sie als Nachteil sehen, dass die anderen günstigere Energiekosten haben, keine Tariflöhne zahlen, könnten wir zu unserem Vorteil nutzen. Wir haben hier in Frankfurt nämlich ein großes grünes Klientel, das Nordend ist voll davon.

(Zurufe, Heiterkeit)

Wir haben Ökospießer, die zu ihren Lebzeiten darauf achten, dass sie Ökostrom beziehen. Wir haben LOHAS, die ganze Stadt ist davon voll, die sich dagegen wenden, dass Leute ausgebeutet werden und Lohndumping betrieben wird. Wir könnten ein Produkt im Frankfurter städtischen Krematorium schneidern, das genau diese Zielgruppe anspricht. Es gibt heutzutage energieeffiziente Möglichkeiten von Kraftwärmekopplung, sprechen Sie einmal mit der Mainova AG, dann können Sie die Energie, die Sie da verbrauchen, auch noch verwenden, um am Ende ein Gewächshaus zu beheizen.

(Zurufe)

Herr Osterling sagt es gerade, fair Burning. Richtig! Neben diesen service- und marktorientierten Erweiterungen gäbe es auch die Möglichkeit, ein regionales Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Wir haben nämlich immer mehr übergewichtige Tote.

(Heiterkeit)

Auch das können Sie in der Frankfurter Rundschau nachlesen. Inzwischen sind sieben Prozent der Bevölkerung übergewichtig und die Krematorien haben massive Probleme, diese Menschen würdig einzuäschern, weil es länger dauert. Es entsteht mehr Energie bei dieser Geschichte und Frankfurt könnte sich darauf spezialisieren und dieses Marktsegment von Übergewichtigen erschließen. Die Stadt Mainz macht das übrigens.

Davon abgesehen, wird uns in der Vorlage B 517 auch gesagt, dass bei einer Katastrophe überhaupt kein Problem bestünde, da wir genügend Kühlkapazitäten in Frankfurt hätten. Bei Gelegenheit möchte ich noch einmal nachfragen, wie viele Kühlhäuser wir tatsächlich zur Verfügung haben. Ich sage Ihnen, wenn die Zombieapokalypse kommt, werden Sie sich noch wünschen, wir hätten ein Frankfurter Krematorium.

(Beifall, Zurufe)

Mit etwas mehr Fantasie, Kreativität und Marktorientierung könnten wir das Krematorium – da will ich ernst werden – in Frankfurt gewinnbringend weiterbetreiben. Ich denke, das wäre ein Ausweg, aber Sie lehnen den Ausweg von vorneherein ab, weil Sie seit 19 Jahren keine Ideen für diese Geschichte haben. Deswegen müssen wir das Krematorium schließen. Der Grund, warum ich eigentlich dagegen bin, das Krematorium zu schließen ist, dass mit diesem Leichentourismus in andere Kreise die Kosten für die Angehörigen steigen werden. Ich bin dagegen, städtische Infrastruktur einzustellen und letzten Endes die Kosten auf die Bevölkerung abzuwälzen. Deswegen stimmen wir gegen die Schließung des Krematoriums.

(Beifall, Zurufe)

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