Sicherheit von Microsoft-Produkten

Zugehörige Vorlagen: Magistratsbericht B 472/2013, Anfrage A 285/2013 (Piraten)

Kontext: Wortprotokoll über die 26. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 14. November 2013, TOP 10, Sicherheit von Microsoft-Produkten

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Ich möchte vorher kurz etwas zur Tagesordnung sagen. Herr Ulshöfer, ich fand es, ehrlich gesagt, viel peinlicher, dass wir heute mindestens zwei Stunden über fünf Quadratmeter Zugewinn in Kitas gesprochen haben, und dass wir heute mindestens zum fünften Mal über die IGS West sprechen mussten. Das fand ich richtig peinlich.

Ein anderes peinliches Thema ist auch der Umgang der Stadt Frankfurt mit Microsoft-Produkten. Wir haben wohlweislich im Januar 2013 dazu schon eine Anfrage gestellt, auf die im April ein Zwischenbericht kam, der aussagte: „Aufgrund der ausgeprägten Dezentralität der IT-Struktur der Stadtverwaltung Frankfurt müssen die gewünschten Informationen durch aufwendige Abfrage der Fakten bei den Ämtern und Betrieben ermittelt werden.“ Jetzt, in dem Bericht B 472 heißt es ganz anders: „Aufgrund der stadtweiten zentralen Beschaffungs- und Administrationsstruktur besteht ein detaillierter Überblick seit 2003.“ Da frage ich mich doch, warum hat es acht Monate gedauert, diesen detaillierten Überblick über die Lizenzen, die die Stadt Frankfurt an Microsoft bezahlt, zu besorgen? Diese Lizenzen summieren sich, wie wir im Bericht B 472 auch lesen können, seit 2003 auf 19 Millionen Euro. Bei Gelegenheit würde mich dann noch interessieren, inwiefern es dazu eine Ausschreibung gab. Das sind 2,3 Millionen Euro jährlich, die uns auch in Zukunft noch ins Haus stehen.

Ich kann die Argumentation durchaus verstehen, dass Angestellte der Stadtverwaltung im Zweifelsfall von zu Hause Windows gewöhnt sind und dass es schwierig ist, sie auf Linux umzustellen. Das akzeptiere ich. Was wir aber in diesem Bericht gelesen haben ist, dass von den 9.776 Rechnern der Stadt Frankfurt, auf denen Microsoft-Betriebssysteme laufen, 2.385, also 24 Prozent, offenbar seitdem Windows XP herausgekommen ist, und zwar im Jahr 2001, niemals ein Update auf ein aktuelleres Betriebssystem erfahren haben. Microsoft hat im Jahr 2009 offiziell den Support für Windows XP eingestellt. Es gab noch eine Kulanzperiode von fünf Jahren, und die ist am 8. April 2014 beendet. In dem Magistratsbericht müssen wir lesen, dass das der Stadt Frankfurt selbstverständlich frühzeitig bekannt war, und man einen zeitnahen Umstieg geplant habe, gleichzeitig in Anhang drei sehen wir dann, dass zum Beispiel die Stadtbibliothek die Umstellung bis zum 2. April 2014 abgeschlossen haben möchte. Das sind sechs Tage, bevor Microsoft den Support einstellt. Dann gibt es keine Windows-Updates mehr, keine Sicherheitsupdates, keine Virenupdates. Am 8. April ist Schluss, ab da ist es tatsächlich eine Sicherheitslücke.

Wir haben allerdings ein wahnsinnig teures Enterprise Agreement mit einer Software Assurance. So viele englische Wörter, ich erkläre einmal kurz, was das ist. Software Assurance bedeutet, dass man jederzeit ohne Mehrkosten das Betriebssystem upgraden kann. Man hätte schon längst von Windows XP auf Vista, dann auf Windows 7 und dann auf Windows 8 upgraden können. Das wurde aber offenbar bei 2.385 Rechnern nie gemacht. Das heißt, für dieses Viertel aller Rechner können wir uns auch das Zusatzpaket Software Assurance sparen. Bei 2,3 Millionen Euro im Jahr ist das ein ganz schöner Batzen, der dort eingespart werden kann.

Das andere ist, dass wir viel zu viele städtische Server haben. Auch dort könnte man virtualisieren, aber das ist ein anderes Thema. Von den 1.353 städtischen Servern sind nur 91 Stück oder sieben Prozent auf Open-Source-Systemen, also Unix oder Linux. Im Internet sieht das ganz anders aus, da sind 66 Prozent auf Open-Source-Systemen, und die anderen 33 Prozent teilen sich andere Betriebssysteme wie Windows. Das heißt, wir haben dort ein starkes Missverhältnis. Man könnte viel mehr dieser städtischen Server, ohne Probleme in der Funktionalität befürchten zu müssen, in ein offenes Betriebssystem umstellen und auch dort wieder sehr viele Lizenzgebühren sparen.

Nebenbei hatte dieser Bericht aber auch noch ein paar Schmunzler. Zum Beispiel wurde gesagt, dass der Begriff „Wartung“ in der Software nicht gängig sei. Das stimmt nicht. Es wurde aber auch gesagt, dass die Stadt Frankfurt offenbar einen sehr seltsamen Begriff von Standards hat. Zur Erklärung: Es gibt weltweite Standards, die von einem Standardkomitee, dem World Wide Web Consortium, dem W3C, erstellt werden, und die gibt es auch für das Internet. Es gibt sogar eine ISO-Norm für HTML, das dem Web zugrunde liegt. Standards sind dafür da, dass Sie, wenn Sie irgendwo in Deutschland Ihren Stecker in die Steckdose stecken wollen, dafür keinen Adapter brauchen. Das sind Standards.

Microsoft ist kein Standard. Microsoft ist ein proprietärer Hersteller. Auch wenn im Jahr 2001 90 Prozent der Nutzer in Deutschland einen Internet Explorer benutzt haben, so unterliegt auch das dem Markt. Die heutigen Zahlen sehen folgendermaßen aus – ich habe vorhin nachgeschaut: Im Oktober 2013 hat der Internet Explorer in Deutschland gerade noch einen Marktanteil von ungefähr 20 Prozent, Firefox war in Deutschland einmal auf 60 Prozent, liegt jetzt bei 38 Prozent, und Google Chrome steigt auf und ist bei 20 Prozent. Das heißt, wir haben inzwischen ein sehr heterogenes Browserbild, eine heterogene Landschaft, und genau dafür gibt es eben diese Standards, dass alle diese Browser alle Webseiten benutzen können, und dass mit diesen Browsern auch Anwendungen genutzt werden können. Dafür standardisiert man das Ganze. Es ist eben nicht so, dass der Internet Explorer ein Standard wäre. Der Internet Explorer 6, der mit Windows XP ausgeliefert wurde, ist die Hölle. Er war voller Fehler und Bugs und es dauerte ewig, dafür etwas zu entwickeln. Es gibt allerdings bei der Stadt immer noch Anwendungen, insbesondere beim Stadtschulamt, die offenbar auf den Internet Explorer angewiesen sind. Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie die Zahlen sehen, dass auch Lehrerinnen und Lehrer durchaus andere Browser benutzen. Die müssen in der Lage sein, mit eben jedem standardkonformen Browser Anwendungen der Stadt Frankfurt zu benutzen, zum Beispiel die Lehrer-Schüler-Datenbank. Dafür sind Standards da.

Wir haben zwei Haushaltsanträge geschrieben, einmal um die Serverinfrastruktur und eben auch die Desktopinfrastruktur der Stadt Frankfurt zu prüfen und auf diese Art und Weise möglichst viel Geld einzusparen. Ich denke, bei 2,3 Millionen Euro Lizenzgebühren jährlich ist das schon ein immenser Betrag, und gerade um die Infrastruktur der Stadt Frankfurt zu reformieren, sollte man das in Betracht ziehen.

Vielen Dank!

(Beifall)

[…]

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Quirin!

Ihnen ist zu Recht aufgefallen, dass wir damit implizieren wollten, dass die Stadt Frankfurt das verschläft, und wenn ich in der Anlage 3 zu diesem Bericht eben sehe, dass sehr viele städtische Zweigämter erst am 2. April 2014 die Migration abgeschlossen haben werden, sechs Tage vor Ablauf der Frist, dann war das gut, dass wir im Januar daran erinnert haben.

Frau Purkhardt – sie ist gerade nicht im Saal –, Ihnen wird vielleicht auch aufgefallen sein, dass ich in meiner Rede München gar nicht mehr erwähnt habe. Wenn Sie mit Windows in der Stadtverwaltung besser zurechtkommen, dann behalten Sie es, aber zahlen Sie nicht zusätzlich Geld für irgendwelche Softwareupdates, die Sie niemals benutzen.

(Beifall)

Davon abgesehen, was die Harmonisierung der städtischen IT‑Infrastruktur angeht: Herrn Tschierschke ist aufgefallen, dass Frau Sorge hier ein Apple‑Notebook verwendet, und wir fragen uns natürlich, inwiefern das in die städtische IT‑Infrastruktur integriert wird oder warum die Schuldezernentin ein Apple‑Notebook hat, während in den Schulen die ältesten Windows XP‑Mühlen laufen und die Schülerinnen und Schüler vor alten Computern sitzen.

(Zurufe)

Den Haushaltsantrag haben wir dazu schon gestellt, den können Sie nächsten Monat lesen.

Vielen Dank!

(Beifall, Zurufe)

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