Wahlprüfsteine von PortalDigital

Friedrich-Ebert-Anlage, Frankfurt am Main

Foto CC by Frank Friedrichs

Für den Magistrat der Stadt Frankfurt ist die Sache klar: „Frankfurt am Main ist die digitale Hauptstadt der Bundesrepublik, denn hier befinden sich die wichtigsten nationalen und internationalen digitalen Schnittstellen.“

Von diesem Statement ausgehend hat sich ein Lobbyverband gegründet, dem unter anderem ein Vertreiber von Werbeflächen angehört. Sie werben ziemlich deutlich für mehr Werbeflächen – wer hätte das gedacht. Sie haben uns ihre Wahlprüfsteine geschickt, die dennoch ein paar interessante Aspekte der digitalen Stadt der Zukunft ansprechen.

Was ist in Frankfurt mit Blick auf eine zukunftsweisende Digitalisierung bereits gut gelöst, woran mangelt es noch aus Ihrer Sicht?

Frankfurt hat beste Voraussetzungen durch die hier ansässigen Unternehmen und international bedeutenden Netzknoten. Bei der Digitalisierung hinken Deutschland im internationalen und Frankfurt im nationalen Vergleich deutlich hinterher.

Ein guter Ansatz ist das Open Data-Portal der Stadt Frankfurt unter daten.frankfurt.de, das auf Initiative eines Fraktionsmitglieds angelegt wurde. Allerdings fehlen dort noch wichtige Datensätze, vordringlich die Fahrpläne und Verkehrsdaten des RMV/VGF, aber auch maschinenlesbare Daten aus dem Stadtparlament oder beispielsweise zum Stand der Schulsanierungen.

Auch gibt es bereits erste Schritte in Richtung eines eGovernments, allerdings sind wir noch weit davon entfernt, Daten mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit Behörden austauschen zu können oder dass die Stadt als Zertifizierungsstelle für Bürgerinnen und Bürger aufträte.

Meinen Antrag, sich mit anderen europäischen Städten in der City Protocol Society zur Zukunft unserer Smart Cities zu venetzen, hat die Koalitionsmehrheit leider abgelehnt.

In Neubaugebieten werden Leerrohre für eine Breitband-Glasfaseranbindung als Infrastrukturmaßnahmen gelegt, dies müsste aber die Regel werden bei sämtlichen Straßenbauarbeiten. In anderen Städten verlegt die Kommune selbst Glasfaserkabel und bietet Unternehmen und Initiativen diese zur Nutzung und zum Anschluss an FTTH/FTTB an. Die Stadt Frankfurt hat dies bislang immer abgelehnt. Hingegen ist das, was man in Deutschland unter „Breitband“ versteht, im internationalen Vergleich eher lächerlich. Mittelfristig müssen wir Datenraten von 10 GBit anstreben, nicht bloß 50-100 MBit.

Der „Masterplan 100% Klimaschutz“ des Magistrats sieht zwar eine Deckung des Energiebedarfs aus lokalen und regionalen erneuerbaren Energien vor, aber erst zum Jahr 2050. Wir halten das für einen faulen Kompromiss der Grünen mit der CDU und für wenig ambitioniert, gerade auch im Vergleich mit Städten wie Kopenhagen.

Die Digitalisierung in den Schulen hat bisher kaum stattgefunden. WLAN in Schulen, ein Konzept zur konstruktiven Nutzung der mobilen Endgeräte der Schülerinnen und Schüler im Unterricht, Einbindung von spielerischem Lernen und Programmierung mit beispielsweise Minecraft.edu oder Lego Mindstorms ist in Deutschland noch eine große Ausnahme. Digitales, barrierefreies Unterrichtsmaterial, eBooks statt schwerer Ranzen: Fehlanzeige.

In städtischen Museen gibt es bereits einige Erfolge in der Digitalisierung der Bestände, allerdings sind sie oft noch nicht hochauflösend verfügbar oder unter einer freien Lizenz nachnutzbar. Die Stadt Frankfurt besitzt alleine Kulturgüter und Archivmaterial im Wert von 2,6 Milliarden Euro, die auf ihre Digitalisierung warten.

Und mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt, wie man das Mehr an Freizeit durch Digitalisierung bei gleichzeitiger Existenzsicherung nutzen kann, damit hat sich auch in Frankfurt noch kaum jemand beschäftigt.

Natürlich haben Sie auch Recht, dass ein offenes, freies WLAN in Frankfurt fehlt. Dazu gibt es verschiedene, auch nicht-kommerzielle Ansätze, die aber unter anderem an den Gesetzen zur Störerhaftung und einer übervorsichtigen Haltung des Magistrats bislang gescheitert sind.

Die Stadt Frankfurt definiert sich selbst als die digitale Hauptstadt der Bundesrepublik.

Stimmen Sie dem zu?
Ja. In Berlin gibt es innovativere StartUps, aber die Infrastruktur, die Fachkompetenz, das Personal und das Geld sind in Frankfurt.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit Frankfurt diesen Titel zu Recht für sich in Anspruch nehmen kann?
Bessere, echte Breitbandanbindungen; WLAN auf öffentlichen Plätzen, in Behörden und Schulen; Open Data, APIs und ein Hessisches Informationsfreiheitsgesetz; einen Chief Information Officer im Magistrat; ein dezernatsübergreifendes Konzept zur Digitalisierung der Verwaltung.

Es gibt Berechnungen, nach denen dem Steuerzahler bereits ein Schaden von mindestens 20 Millionen Euro entstanden sein soll: durch Versäumnisse bei der Vergabe städtischer Werberechte.

Wie stellt sich dieser Sachverhalt für Sie dar?
Die schwarz-grüne Stadtregierung hat es leider versäumt, den Vertrag über die Nutzung von Werbeflächen mit der Firma Ströer rechtswirksam zu kündigen, weswegen er sich automatisch um acht Jahre bis zum 31.12.2017 verlängerte.
Was muss in Sachen Ausschreibung der Werberechte passieren?
Die Werbeflächen müssen überhaupt erst einmal neu ausgeschrieben werden.
Wenn diese 20 Millionen Euro im Haushalt bereitstehen würden, in welchen Bereich würden Sie diese fließen lassen?
Bildung, Öffentlicher Personennahverkehr und Wohnungsbau.

Die Zeil war einmal die umsatzstärkste Einkaufsstraße Deutschland.

Inzwischen hat ihr die Einkaufsstraße in München den Rang abgelaufen. Eine Aufhebung des Werbeverbots, verknüpft mit einer sinn- und maßvollen Verbreitung digitaler Werbeflächen, könnte wieder mehr Umsatz generieren. Wie stehen Sie zu einer Aufhebung des Werbeverbots auf der Zeil?
Wir stehen einer Privatisierung und weiteren Kommerzialisierung des öffentlichen Raums kritisch gegenüber. Ihre These, dass eine Aufhebung des Werbeverbots die Zeil beleben und mehr Umsatz generieren würde, ist nicht belegt. Eine flächendeckende Versorgung mit WLAN ließe sich auch in Kooperation mit den Anliegern realisieren, wären die Bedenken zur Störerhaftung nicht gegeben.

Köln, Düsseldorf, Berlin und selbst Freiburg und Bad Homburg: Immer mehr Städte sind auf dem Weg zur Smart City.

Auch für Frankfurt gibt es bereits Vorschläge und sogar realisierte Projekte, zum Beispiel im Wohnungsbau und im Verkehrswesen.

Wie sehen Sie Frankfurt hier aufgestellt?
Wir sehen außer dem Open Data-Portal, den Plänen zum eGovernment, einem Pilotprojekt zu Elektromobilität und dem mit Datenschutzbedenken belasteten Smart Metering bislang kaum nennenswerte Ansätze.
Was ist notwendig, damit sich Frankfurt zur Smart City weiterentwickelt und deutschlandweit führend wird?
Frankfurt muss sich mit anderen Städten, darunter auch Partnerstädten, besser vernetzen und aus deren Erfahrungsschatz lernen. In der Stadtverwaltung muss vor allem ein Paradigmenwechsel vollzogen werden: Wir müssen redundante, inkompatible Strukturen abbauen und von der Mentalität der Dezernate, sie seien autarke Fürstentümer, abkommen. Die Stadt Frankfurt muss digital und effizienter vernetzt werden. Wir müssen umdenken, dass nicht-personenbezogene Daten der Stadt gehörten statt der Allgemeinheit, die mit ihren Steuergeldern dafür bezahlt hat.

Die Einwohner*innen sind dabei jedoch nicht als Ressource und Teil der technischen Infrastruktur zu betrachten, sondern ihr Wohlergehen, die öffentliche Daseinsfürsorge für sie und soziale Gerechtigkeit müssen stets unser Handeln bestimmen.

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