Campus Bockenheim

Kontext: Wortprotokoll über die 4. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 25. August 2011 (16.09 Uhr bis 22.02 Uhr), TOP 7, Umbau und Erweiterung Bockenheimer Depot

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

Ich bezweifle, dass ich meine Redezeit überschreiten werde, weil wir leider als Fraktion nicht zu der heutigen Pressekonferenz eingeladen waren. Wir haben auch heute erst diese Broschüre gesehen. Ich hätte ironischerweise die Möglichkeit gehabt, an der Erstellung der Website mitzuwirken, aber das hätte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können. Im Prinzip wollen wir ja alle nur das Beste für Frankfurt. Uns bietet sich eine riesige Chance, den Campus zu entwickeln. Im Detail weichen wir aber voneinander ab. Da müssen wir den Finger in die Wunde legen. Beispielsweise steht in Ihrem Koalitionsvertrag, dass das Studierendenhaus erhalten bleiben soll. Aber das Essenzielle ist nicht nur, dass das Haus erhalten bleibt, sondern dass die Kultur, die sich im Umfeld gebildet hat, in einer Selbstverwaltung erhalten bleibt. Das ist das Wichtige.

Außerdem haben Sie uns mitgeteilt, dass die ABG Holding das Gebiet entwickelt. Wenn die ABG zuständig ist, dann muss das Gebiet mit sozialen Maßstäben entwickelt werden. 30 Prozent für geförderten Wohnraum sind zwar vorgesehen, aber wir haben auch das Areal Sophienstraße/Gräfstraße, auf dem Luxuswohnungen entstehen werden, für die diese Bindung nicht gilt. Die Gentrifizierung in Bockenheim, die wir jetzt schon mit dem aktuellen Mietspiegel, der Ausweisung als Innenstadtgebiet 2 und den erhöhten Mieten haben, wird durch die Luxuswohnungen nördlich des Bockenheimer Depots weiter vorangetrieben. Die Oberbürgermeisterin hat in der Diskussionsveranstaltung bei der Frankfurter Rundschau versprochen, dass das Philosophicum .

(Zurufe)

Genau. Sie sagten, Sie könnten sich vorstellen, dass das Philosophicum auch für alternative Wohnformen genutzt werden könnte. Ob das dann in Ihrer Koalition oder auch in zwei Jahren noch so gesehen wird, das sei dahingestellt. Ich vermisse diesbezüglich eine eindeutige Festlegung, eine Beschlussfassung, dass das Philosophicum für alternativen Wohnraum geschützt werden soll.

Sie haben erwähnt, die Stadt- und Universitätsbibliothek wird vom Land Hessen entwickelt. Dann bekommen wir ein weiteres Problem, denn auch das ist ein denkmalgeschützter Kramer-Bau. Wir haben gerade gehört, er soll möglicherweise abgerissen werden. Was das Land Hessen damit macht, wissen wir nicht so recht. Das Haus ist denkmalgeschützt. Denkmalgeschützt ist nicht nur alles, was vor 1900 entstanden ist. Diese Kramer-Bauten sollten unbedingt erhalten bleiben.

Ein Problem wird – ich habe es gerade angesprochen – mit dem Mietspiegel deutlich. Wir haben dort schon heutzutage eine ganz deutliche Gentrifizierung. Diese Entwicklung wird mit den Luxuswohnungen, die dort geplant werden, und den Gewerbebauten, bei denen die ABG Holding nur als Investor auftritt und diese anschließend veräußert – die FDP hat es begrüßt -, verstärkt. Diese Vorhaben stehen wahrscheinlich auch im Vertrag mit dem Land Hessen, den wir leider nicht kennen. Wir haben heute schon steigende Mieten. Wir werden in Zukunft mit dem Kulturcampus Bockenheim Kultur als Standortfaktor haben. Ich glaube, niemand hat etwas dagegen, dass William Forsythe sowie die Hochschule für Musik und Gestaltung Bestandteil des Kulturcampus werden. In dem Moment aber, in dem Kultur missbraucht wird, um dort höherwertigen Raum zu schaffen, den sich einige Leute heutzutage in Bockenheim schon nicht mehr leisten können, wird es kritisch. Wir müssen bei einem so großen Areal für eine Durchmischung sorgen. Wir müssen auch dafür sorgen und darauf einwirken, dass es bei der geschäftlichen Nutzung nicht nur Bistros für die Besserverdienenden gibt, sondern eben auch die Dönerbude von nebenan für jedermann. Wir haben diese Entwicklung schon heute. Der Uni-Kita wurde gekündigt.

Ich glaube, wir sind uns einig, dass bei einem so großen Areal heutzutage nichts mehr ohne Bürgerbeteiligung geht. Ich möchte aber einfordern, diese Bürgerbeteiligung auch als echte Beteiligung durchzuführen. Mit einer Scheinbeteiligung wie bei dieser Repräsentationsveranstaltung in der Aula der Uni, zu der zwar Bürger eingeladen waren, um zu huldigen, ohne auf dem Podium sitzen zu dürfen, ist niemandem gedient. Im kleineren Maßstab hatten wir ebenfalls so ein negatives Beispiel beim Atzelbergplatz. Hier gab es einige Planungswerkstätten. Die Bürger haben dort Empfehlungen abgegeben. Diese Empfehlungen sind aber nur zu einem Bruchteil in die letztendliche Planung mit eingeflossen. So etwas darf bei einem so großen Areal mit einer so großen Bedeutung wie dem Campus Bockenheim nicht geschehen. Dieser Campus Bockenheim soll für alle Frankfurter da sein. Frau Dr. Weyland, Sie haben zu Beginn der Sitzung erklärt, was einen Frankfurter ausmacht. Das sind eben nicht nur die Schönen und Reichen, das ist eben nicht nur ein Stadtrat Schwarz, der auf dem einen Foto so leger die Beine baumeln lässt. Alle Menschen sollen dort die Beine baumeln lassen, und sie sollen es sich auch leisten können.

Vielen Dank!

(Beifall)

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