Keine Diskriminierung von Sexarbeit – gegen ein Sperrgebiet durch die Hintertür

Antrag der ELF Piraten Fraktion zum Magistratsvortrag M 224/2013

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Im „Bebauungsplan Nr. 569 – Senckenberganlage/Bockenheimer Warte“ wird unter A 1.3.1 der erste Spiegelstrich (gewerbliche sexuelle Dienstleistungen) gestrichen.

Begründung

Der Magistrat stellt in seiner Begründung dar, dass diese Festsetzung dazu diene, „die Ansiedlung solcher Einrichtungen im Plangebiet zu verhindern“. Sexarbeit, insbesondere Wohnungsprostitu­tion, ist nach Auffassung des Magistrats unvereinbar mit „hochrangigen wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen“ sowie einem „hochwertigen Dienstleistungs- und Wohnstandort“. Ferner würden das Stadt- und Straßenbild beeinträchtigt, Konflikte mit der Wohnnutzung ent­stehen und die Geschäftslage abgewertet.

Die Bockenheimer Bevölkerung ist derzeit bereits einem starken Mietdruck ausgesetzt und würde anstelle eines „hochwertigen“ Leuchtturmprojektes, das die Gentrifizierung beschleunigt, lieber ein gesundes, durchmischtes Gebiet mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten sehen. Darüber hinaus verstößt die Regelung gegen die geltende Rechtsprechung und diskriminiert Sexarbeiter*innen.

Der VGH Kassel hat, bezugnehmend auf das Prostitutionsgesetz von 2002 sowie Urteile des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 224/07), des Bundesverwaltungsgerichts (6 C 16/02), des VGH Baden-Württemberg (1 S 2256/07) und zahlreiche andere, in seinem Urteil (8 A 1245/12) auf die veränderte gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Prostitution hingewiesen. Prostitution sei gemäß des Kammerbeschlusses nur dann verboten, wenn sie nach außen in Erscheinung träte und eine „milieubedingte Unruhe“ oder erhebliche Belästigung mit sich brächte.

Der Magistrat hat objektiv nicht dargelegt, inwiefern öffentlich nicht wahrnehmbare Wohnungs­prostitution zu einer solchen Unruhe führen soll. Laut der Frankfurter Interessenvertretung für soziale und politische Rechte von Prostituierten, dem Doña Carmen e.V., zeugt die vom Magistrat implizierte Verwahrlosung des Viertels durch Straßenprostitution von der Unkenntnis der heute in der Regel diskreten Arbeitsweise des Prostitutionsgewerbes. Hochwertiges Dienstleistungs­gewerbe, Kultur und Prostitution sind kein Widerspruch.

Außerhalb der reinen Wohngebiete fehlt auch die vom Bundes­verfassungsgericht geforderte Eigenart der betroffenen Gebiete, „durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen, Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen“ gekennzeichnet zu sein.

Insofern ist eine diskriminierende und kriminalisierende Verfügung, die allein auf überholten Moralvorstellungen basiert, abzulehnen.

Antragsteller

Stadtv. Martin Kliehm
Stadtv. Herbert Förster
Stadtv. Luigi Brillante

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