Oberbürgermeisterkandidaten

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Sie sagen es richtig, Herr zu Löwenstein. Wir haben hier jetzt schon viele Geschichten vom Krieg gehört. Hier kommt endlich einmal eine Partei der Zukunft. Ich möchte darum vor allem nach vorne blicken. Das liegt aber auch daran, dass ich an diesen Grabenkämpfen in den letzten 15 Jahren hier im Parlament auch nicht so beteiligt war.

Frau Roth hat es gesagt, wir leben in einer lebendigen, vitalen Stadt. Was sie nicht erwähnt hat, ist, dass wir auch in einer sehr vielfältigen Stadt leben. Auch wenn der Herr Hübner dabei Hautausschläge bekommt: Frankfurt ist eine multikulturelle Stadt. Wir haben einen sehr hohen Anteil an Migranten und Migrantinnen und das ist auch sehr gut so, weil Frankfurt dadurch an Stärke und an Vielfalt gewinnt. Das ist eine gute Sache, weil wir durch eine Monokultur eigentlich nur verlieren können.

In dieses Bild von dieser vielfältigen Stadt hinein bekommen wir jetzt von der CDU einen Kandidaten präsentiert, der wie niemand sonst polarisiert. Herr Hübner fiebert ihm schon entgegen und Herr Heuser hält eine Laudatio auf die Errungenschaften von Herrn Rhein, die vielleicht für eine Römerplakette reichen würde, die mich aber jetzt nicht so begeistert hat, dass ich sage, dieser Mann muss Oberbürgermeister werden. Davon abgesehen, selbst für eine Römerplakette in Bronze muss man zehn Jahre ehrenamtlich tätig sein und nicht nur zwei Jahre als Stadtrat.

(Beifall)

Wir sehen da einem Kandidaten entgegen, der vor allem für die Eingriffe in die Bürgerrechte steht. Als hessischer Innenminister und als momentaner Vorsitzender der Innenministerkonferenz mag er vielleicht damals propagiert haben, dass Frankfurt eine sichere Stadt sein soll, aber letztlich hat er dort ein Gespenst an die Wand gemalt, das wir so gar nicht haben. Boris Rhein ist ein starker Verfechter der Kameraüberwachung, letztlich ist dies aber alles eine Symbolpolitik. Kameraüberwachung ist eine Augenwischerei. Es hat noch keine Kamera ein Verbrechen jemals verhindern können, niemals! Im Gegenteil, wir wissen heutzutage, wenn Kameraüberwachung zum Beispiel an Bahnhöfen oder an U Bahn Stationen eingesetzt wird, dass das teilweise für entsprechend disponierte Jugendliche erst der Anlass sein kann, dort exzessive Gewalt zu betreiben, weil sie wissen, sie haben dadurch ihre 15 Sekunden in der Tagesschau sicher.

Letztlich haben wir eine Symbolpolitik, die vor Nutzlosigkeit strotzt, die aber auf der anderen Seite eben auch vorhandene Rechte mit Füßen tritt. Es wurde vorhin schon im Zusammenhang mit den Fußballfans erwähnt, wenn sie über die Stränge schlagen, das den Arbeitgebern zu melden. Das ist mit unserem Rechtsstaat nicht vereinbar. Gleichzeitig verwundert es auch sehr wenig, dass Herr Rhein sehr für den Bundestrojaner ist. Da kommen wir dann zu dem Thema, das den Piraten sehr am Herzen liegt. Wir Piraten sind der Meinung, dass eine Softwareüberwachung, dass eine Ausspähsoftware, die auf Computern von Menschen installiert wird und auch in der Lage ist, dort Dateien zu verändern und zu installieren, für eine gerichtliche Überprüfung nicht geeignet ist. Denn in dem Moment wird der ganze Computer verändert, neue Dateien können raufgeladen werden, und wer soll denn da bitte noch beweisen, wo die Dateien herkommen, ob die ursprünglich auf dem Computer waren oder ob die vielleicht vom BKA nachgeladen wurden?

Herr Rhein hat sich auch hervorgetan mit einer Symbolpolitik gegen Kopftücher. Wir wissen inzwischen, das Kopftuch ist ein stark behaftetes Symbol, aber genau dies ist es auch. In dem Moment, wo wir nur über Kopftücher reden, betreiben wir Symbolpolitik und befassen uns nicht mit tatsächlichen Problemen, mit tatsächlichen Ursachen. Eine solche Symbolpolitik ist in der Regel ein Ausdruck eines statischen Weltbilds. Wir sehen dieses statische Weltbild auch in dieser Terrorangst verwirklicht. Frankfurt ist aber alles andere als statisch. Frankfurt ist, wie wir gehört haben, eine vitale Stadt, eine junge, dynamische Stadt. Und da sollen wir jetzt einen Oberbürgermeister hineinbekommen, der, obwohl erst Ende Dreißig, konservativer und vergreister ist als so manche Sechzigjährige, die die 68er-Bewegung mitgemacht haben.

Wir haben – und das sollten wir nicht vergessen – in Frankfurt auch junge Menschen. Wir haben eine zurückgehende Geburtenrate, die Älteren überwiegen. Wir haben es neulich im Ausschuss gehört, 1964 ist der geburtenstärkste Jahrgang, der gerade lebt. Wir haben eine Überalterung der Gesellschaft und immer weniger junge Leute. Dort soll dann jemand kommen, der genau diese Ängste der Alten führt, der ihnen verspricht, wenn da Kameras sind, Oma, dann wirst du nicht überfallen werden. Das ist aber nicht die Wahrheit. Wir haben hier eine junge, dynamische Stadt, und wir brauchen einen Oberbürgermeister, der Brücken schlägt, oder eine Oberbürgermeisterin. Wir brauchen jemand, der die gesamte Bevölkerung einschließt und nicht komplett polarisiert. Wir brauchen einen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin für alle Frankfurterinnen und Frankfurt und nicht einen Brandstifter.

(Beifall)

Darum kann ich guten Gewissens behaupten, „Boris Rhein is not my OB“, und ich denke, das werden auch viele andere junge Leute bestätigen.

Zu guter Letzt, denn diese Frage wird sicher aufkommen oder wird uns schon permanent gestellt, ob die Piraten einen Oberbürgermeisterkandidaten stellen werden. Ich muss Ihnen sagen, das wird bei uns auf dem Parteitag entschieden und nicht von irgendwelchen Gremien. Wir haben einen Parteitag am 25. November, dabei kann alles herauskommen. Anders als bei der CDU steht heute noch nicht fest, wer Mitte Dezember gewählt wird. Bei uns entscheidet das Ganze die Basis, ich gehe aber davon aus, dass bei den Piraten, da wir als Partei einen politischen Auftrag haben, an Wahlen teilzunehmen, die Tendenz schon eher ist, an den Oberbürgermeisterwahlen teilzunehmen, auch um eine Alternative zu bieten und Nichtwähler zu mobilisieren. Von daher verstehe ich sehr gut, dass die FDP bei diesen Wahlen nicht antritt. Die würde die Wahlbeteiligung eher noch nach unten treiben, denn nach oben.

(Beifall, Heiterkeit)

Wir haben aber mit einer Beteiligung der Piratenpartei an den Oberbürgermeisterwahlen die Chance, eben genau diese Nichtwähler zu mobilisieren und die benötigte absolute Mehrheit für einen Oberbürgermeister zu erschweren, indem wir eben auch junge Leute an die Wahlurnen bringen. Da sehe ich den nächsten Monaten gespannt entgegen, insbesondere auch dem 25. November bei uns, und ich bitte Sie, nicht zu vergessen, in welcher Stadt wir leben und dass wir dort alles andere gebrauchen können, nur nicht einen Boris Rhein.

(Beifall)

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