Informationsfreiheitssatzung

Zugehörige Anträge: NR 188/2012 und NR 321/2012

Kontext: Wortprotokoll über die 10. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 29.03.2012 (16.02 Uhr bis 22:44 Uhr), TOP 11, Informationsfreiheitssatzung

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Sehr verehrter Vorsteher, sehr verehrte Bürgerinnen und Bürger, sehr verehrte Presse, sehr verehrte Bevölkerung draußen im Internet!

Wir haben den Punkt heute bewusst auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir das nächste Mal wieder über den Haushalt reden werden, dann wird es wieder eine Aufhebung der Redezeit geben und wir behandeln diesen Antrag dann nicht um halb elf, sondern erst um halb zwei. Sie haben vorhin schon wunderbar in der Diskussion über den Campus Bockenheim und über die Aktienbaugesellschaft gesagt, warum wir letzten Endes so etwas wie eine Informationsfreiheitssatzung brauchen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle einmal die Chronologie aufzeigen. Wir hatten einen Antrag der FAG vom 6. April 2010, er ist also knapp zwei Jahre alt. Der Magistrat hat sich dann anscheinend im Januar 2011 mit einer solchen Informationsfreiheitssatzung befasst, denn der momentan vorliegende Entwurf ist fast wortwörtlich von dem Entwurf der Landeshauptstadt München abgeschrieben, der am 25. Januar 2011 verabschiedet wurde. Der Magistrat hatte noch über ein Jahr Zeit, aus den Erfahrungen Münchens zu lernen, hat er aber leider nicht. Der Magistratsbericht ist momentan sowieso noch zurückgestellt, weil es noch eine kleine Änderung geben soll. Ich würde empfehlen, diese Änderung etwas ausführlicher zu machen, denn dieser Bericht hat sehr viele Schwächen.

Wir hatten in unserem Antrag im Januar mitgeteilt, dass es einige wesentliche Punkte gibt, die eine solche Informationsfreiheitssatzung enthalten müsste. Ich habe den Entwurf einmal mit dem Informationsfreiheitsgesetz von Berlin verglichen, denn dies ist eines der neuesten Gesetze. Es wurde im Juni erneuert und Berlin hat vor allem aus der Vergangenheit, aus zwölf Jahren gelernt. Ich werde Ihnen einmal sagen, was so alles in unserer Informationsfreiheitssatzung fehlt. Wenn Sie in diesem Kontext die Diskussionen zum Campus Bockenheim sehen, werden Sie vielleicht merken, warum es wichtig ist.

Das Land Berlin hatte zum Beispiel arge Probleme mit der Privatisierung der Wasserbetriebe, weswegen jetzt in dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz enthalten ist, dass auch alle sonstigen öffentlichen Stellen, zum Beispiel die nicht rechtsfähigen Anstalten und die Eigenbetriebe des Landes – in unserem Fall die Eigenbetriebe der Stadt Frankfurt – ebenfalls von dieser Satzung oder im Berliner Fall des Gesetzes betroffen sind. Ebenfalls enthalten sind alle privaten Unternehmen, die hoheitliche Aufgaben erfüllen, zum Beispiel Wasserbetriebe, S-Bahn oder was Sie sonst noch privatisieren möchten. In der Frankfurter Satzung dürfen nur Einwohnerinnen und Einwohner Anfragen zur Informationsfreiheit stellen, in der Berliner Satzung sind es auch juristische Personen.

Außerdem haben Sie vorhin erwähnt, dass es Verträge gibt, welche die ABG mit dem Land geschlossen hat und an die Sie gebunden ist, die sie, aber nicht offenlegen darf. Berlin ist da ein bisschen schlauer, dann kommen eben entsprechende Klauseln – wie das Herr Reininger vorhin schon gesagt hat – in die Verträge rein, die diese Informationsfreiheitssatzung beinhalten und wo die Vertragspartner dann zustimmen müssen, dass Anfragen gemäß der Informationsfreiheitssatzung auch stattgegeben werden. Was in unserem Entwurf auch vollkommen fehlt, ist ein Abwägungsprinzip. Bei unserem Entwurf wird mitgeteilt, dass sobald auch nur irgendwelche Sachen dagegen sprechen, der Antrag abgelehnt wird. Da gibt es überhaupt keine Abwägung. In Berlin wird sehr ausführlich diskutiert, zum Beispiel was den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte betrifft, was dort abzuwägen ist. Wenn dort also Namen von Verwaltungsangestellten auftauchen, dann muss abgewogen werden, was überwiegt, das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf Informationsfreiheit. Eine Abwägung haben wir nicht.

Wie gesagt, auch Private, die hoheitliche Aufgaben erfüllen, sind in diese Satzung mit einbezogen. Interessant ist, dass das Wettbewerbsrecht beachtet wird. Wenn jedoch ein Wettbewerber ein Monopolist ist, dann ist dieses Wettbewerbsrecht eher gering zu bewerten, denn es ist kein unmittelbarer Wettbewerber da, der Vorteile daraus ziehen könnte. Wenn Verträge vor der Satzung erstellt wurden, dann sind Nachverhandlungen mit den Vertragspartnern zu führen. Der Vertragspartner hat darzulegen, welche Interessen der Informationsfreiheit entgegenstehen. Das Ganze beinhaltet auch Bauleitplanungen, städtebauliche Sanierungsmaßnahmen und so weiter. In unserem Satzungsentwurf steht auch, dass kein Anspruch auf Information besteht, sobald der Stadt ein Nachteil entstehen könnte oder wenn auf Belange der Stadt Rücksicht genommen werden muss. Das ist extrem schwammig formuliert. In Berlin heißt es, sobald schwerwiegende Nachteile oder eine schwerwiegende Gefährdung des Gemeinwohls gegeben ist, steht die Informationsfreiheit zurück.

Bei uns kann ein Antrag entweder abgelehnt oder ihm stattgegeben werden, eine Teilansicht gibt es nicht. Auch das ist ein großer Fehler. Sie haben vorhin beim Campus Bockenheim gesagt, dass wir nur Fragmente dieser Vereinbarung gesehen haben. Vieles war nicht enthalten, wir wissen noch nicht einmal, was nicht darin war, weil es keine Löschvermerke gab.

In Berlin darf man auch mündliche Anfragen stellen. Wenn man die falsche Anfrage stellt oder die Akte nicht genau benennen kann, dann wird man beraten und unterstützt. Es wird Hilfe geleistet, die richtige Akte oder eine Weiterleitung an das richtige Amt zu finden. Man darf nicht nur Akteneinsicht vor Ort in die Akten nehmen, sondern bekommt sogar Kopien und – man höre und staune – man kann diese Kopien, wenn es Daten sind, auch elektronisch bekommen.

Sobald ein Antrag abgelehnt wird, ist ein Widerspruch zulässig. Das ist nämlich ein Verwaltungsakt und diese Ablehnung muss begründet werden. Es muss begründet werden, welcher Inhalt einem vorenthalten wurde und warum man keine teilweise Einsicht bekommen hat. Das alles geschieht sehr zeitnah und viele Sachen müssen sowieso veröffentlicht werden, wie zum Beispiel Verträge, nachdem sie schon eine zeitlang öffentlich waren. Zu guter Letzt gibt es ähnlich dem Datenschutzbeauftragten auch einen Beauftragten für das Recht auf Akteneinsicht, an den man sich wenden kann, wenn einem keine Akteneinsicht gewährt wurde. Dies alles fehlt bei uns.

Jetzt zeige ich Ihnen das einmal am Beispiel vom Campus Bockenheim, wenn Ihnen das zu abstrakt war. Wir haben beim Campus Bockenheim eine Bürgerinitiative, die dürfte nach unserer Freiheitssatzung keine Anfrage stellen, denn Anfragen dürfen nur Bürger stellen. Da hat die Bürgerinitiative schon einmal verloren, aber eines der Mitglieder könnte diese Anträge stellen. Die Bürgerinitiative würde aber genauso leer ausgehen wie der Akteneinsichtsausschuss, denn stadteigene Betriebe sind in unserem Entwurf nicht enthalten. Zu guter Letzt würde die Bürgerinitiative noch nicht einmal mitgeteilt bekommen, was ihnen vorenthalten wird, denn ihr Antrag wird nur abgelehnt oder angenommen. Sie kann auch keine Kopien bekommen.

Ich bin gespannt, was Herr Feldmann als neuer Oberbürgermeister im Juli damit machen wird. Als der Vertrag mit dem Land Hessen und der Aktienbaugesellschaft veröffentlicht wurde, gab es eine Pressekonferenz, zu der das Büro der Oberbürgermeisterin eingeladen hat und wo Teile der Verträge zitiert wurden. Entweder liegen diese Informationen im Juni noch im Büro der Oberbürgermeisterin oder wir werden den Schredder laufen hören. Immerhin haben wir einen Entwurf für eine Informationsfreiheitssatzung, das ist besser als nichts, aber im Vergleich zu dem, was gerade State of the Art ist, ist es eigentlich ein Armutszeugnis und wir sollten den Entwurf unbedingt noch nachbessern.

Vielen Dank!

(Beifall)

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