IGS West bauen, aber nicht als PPP-Projekt!

Antrag der ELF Piraten Fraktion zum Magistratsbericht M 181/2012

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

  1. Der Magistratsbericht M 181/2012 wird abgelehnt.
  2. Der Magistrat wird aufgefordert, den Bau der IGS West umgehend neu auszuschreiben. Planung, Finanzierung, Instandhaltung und Bewirtschaftung sind von der Stadt Frankfurt konventionell zu leisten. Entsprechende Haushaltsmittel sind im Etat bereitzustellen.

Begründung

Der Magistrat hat Planung, Bau, Finanzierung, Instandhaltung und Bewirtschaftung der IGS West am 28. April 2011 ausgeschrieben. Dabei handelt es sich nach Magistratsbericht B 376/2011 um ein „Mietkauf­projekt“, nach M 181/2012 um einen „Mietvertrag mit Bauerrichtungs- und Betriebs­verpflichtung“ (MBV), nach dem uns vorliegenden Fragenkatalog (Frage 61) um eine „Veräußerung zum Zeitpunkt der Übergabe“. Der Leitfaden „Wirtschaftlichkeits­untersuchungen bei PPP-Projekten“ definiert Public Private Partnerships (PPP) „als ganzheitliches Modell Planung, Finanzierung, Bau/Sanierung und Betrieb, ggf. auch die Verwertung öffentlicher Hochbau- und Infrastruktureinrichtungen durch Private“. Somit ist die Bezeichnung „Mietvertrag“ irreführend. Es handelt es sich per Definition bei der IGS West um ein PPP-Projekt, auch wenn der Magistrat dies noch in B 376/2011 mit den Worten „derzeit ist nicht beabsichtigt, Bauvorhaben als PPP-Maßnahmen umzusetzen“ bestreitet.

Eine vorherige Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung zur Ausschreibung als PPP-Projekt wurde nicht eingeholt. Eine ausführliche Information der Stadtverordnetenversammlung über die Realisierung des Bauvorhabens als s.g. „Mietmodell“ erfolgte erst mit der Vorlage M 181 vom 17. August 2012. Laut Presse­berichten hat der Magistrat den Vertrag dessen ungeachtet bereits unterzeichnet und notariell beurkundet. Er versucht den Abschluss des kreditähnlichen Geschäftes nun durch eine nachträgliche Zustimmung der Stadtverordneten­versammlung zu heilen.

Begründet wird die Notwendigkeit der Realisierung als PPP-Projekt mit dem kurzfristigen Fehlen von Baumitteln im Rahmen des Investitionsprogramms, obwohl die Errichtung der vierzügigen IGS West spätestens mit dem Schulentwicklungsplan vom 21. Mai 2010 beschlossen war und im Doppelhaushalt 2010/11 Planungsmittel in Höhe von € 5.548.000 vorgesehen waren (der Etat­antrag E 60/2010 der SPD zur Erhöhung auf € 20.548.000 wurde trotz einstimmiger Annahme des Ortsbeirats 6 mit den Stimmen der Koalition abgelehnt).

Hinsichtlich des Vergabemodells und der Finanzierungsform wurde das Schuldezernat von der VBD Beratungsgesellschaft für Behörden mbH aus Berlin beraten. Dabei handelt es sich um eine Lobby­organisation für PPP. Der Oberste Bayerische Rechnungshof rügte bereits im Jahre 2006 schöngerechnete Wirtschaftlichkeits­vergleiche bei einem Pilotprojekt der VBD. Auch der „Gemeinsame Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten“ der Rechnungshöfe kommt zu einem allgemein kritischen Urteil über PPP-Projekte. Er fordert darum u.a. die öffentliche Ausschreibung von Beratungsleistungen.

Wie das Revisionsamt bemängelt, fehlt bei der Vorlage M 181/2012 ein belastbarer Wirtschaftlichkeits­vergleich zwischen der PPP- und einer konventionellen Variante völlig. Durch die europaweite Ausschreibung ist lediglich ein Vergleich zwischen den sechs Anbietern möglich, nicht jedoch der mit einer Planung und Betrieb durch die Stadt Frankfurt. Den Wirtschaftlichkeitsvergleich bei Investitionen von erheblicher finanzieller Bedeutung fordert übrigens auch § 12 Abs. 1 GemHVO.

Die Kämmerei kam in nicht veröffentlichten Berechnungen zu Planung und Bau der IGS West in konven­tioneller Weise auf rund € 28 Mio., der Anbieter nach Zeitungsberichten auf € 27,3 Mio. Investitionskosten. Da der Stadt Frankfurt wesentlich günstigere Zinssätze als einem privaten Investor zur Verfügung stehen, ist nicht davon auszugehen, dass ein PPP-Projekt wirtschaftlicher wäre. Für die Bewirtschaftung fehlen solche Berechnungen gänzlich.

Im „Mietvertrag“ sind zahlreiche Anhänge aufgelistet, die den Stadtverordneten nicht vorliegen. Darunter befinden sich auch haushaltsrelevante Leistungsbeschreibungen zu Bau und Bewirtschaf­tung der Schule. Nach dem unserer Fraktion vorliegenden Fragenkatalog (Frage 39 und 123) gibt es durchaus noch in den Leistungsbeschreibungen in Anlage B09 vorgesehene Erstausstattungs­kosten (beispielsweise für digitale Whiteboards, eine digitale Informationstafel und Schauvitrinen), die nicht im Maximalbudget des Bieters für Lehrmittel enthalten sind. Die Stadtverordneten sind mit den vorliegenden Informationen nicht in der Lage, die Kosten abschließend zu bewerten.

Auch die lange Vertragslaufzeit von 30 Jahren stellt ein enormes Risiko dar. Im Landkreis Offenbach wurde die Sanierung und Bewirtschaftung aller 88 Schulen im Jahr 2004 im Rahmen eines PPP-Projektes geregelt. Während 2004 noch von jährlichen Kosten in Höhe von € 52 Mio. ausgegangen wurde, stiegen sie u.a. durch einen neuen Schulrahmenplan, die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3% und andere Unabwägbarkeiten auf € 78 Mio. im Jahre 2012. Aufgrund des Schulrahmenplans wurden inzwischen zwei Schulen geschlossen, für die noch über Jahre hinaus vertragliche Zahlungen zu leisten sind. Wir können nicht absehen, wie sich die Zahl der Kinder bis zum Jahr 2044 entwickelt, ob es 648 Schülerinnen und Schüler sowie 48 Lehrende und Verwaltungs­angestellte bleiben werden oder wie sich ein neuer, die Inklusion berücksichtigender Schul­rahmenplan auswirken wird. Nicht im Nutzungsprofil vorgesehene anderweitige Nutzungen müssen jedoch separat vergütet werden.

Da der Magistrat das Projekt als „Vorhaben mit Modellcharakter“ bezeichnet, steht zu befürchten, dass weitere solcher Projekte zu erwarten sind. Dieses ist höchst intransparent, unwirtschaftlich, risikoreich, mit Verfahrensfehlern behaftet, und es übergeht eine parlamentarische Beteiligung und öffentliche Diskussion.

Antragsteller

Stv. Martin Kliehm
Stv. Herbert Förster
Stv. Luigi Brillante

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