Gewaltdebatte zu Blockupy

Kontext: Wortprotokoll über die 40. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, dem 26. März 2015 (16.01 Uhr bis 21.23 Uhr), TOP 5, Resolution zu Blockupy

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich möchte zu Anfang auf das eingehen, was verschiedene Vorredner gesagt haben. Herr Frank, Sie haben mir indirekt unterstellt, ich würde Gewalt gegen Feuerwehrleute gutheißen. Ihnen ist vielleicht meine Biografie nicht bekannt, und ich brauche auch keine Belehrung, dass der Rettungsdienst in Frankfurt neutral und für alle da ist. Ich bin im Alter von 14 Jahren in die Samariter-Jugend eingetreten und habe ein Drittel meines Lebens im Rettungsdienst verbracht. Ich bin Lehrrettungsassistent und war drei Jahre hauptberuflich beim Deutschen Roten Kreuz tätig. Wenn Sie mir einen Feuerlöscher in die Hand geben, dann kann ich ein Polizeifahrzeug löschen, aber ich zünde es nicht an.

(Beifall)

Und ich heiße es auch nicht gut, um das noch einmal zu sagen.

Herr Stock, Sie konnten es leider nicht sehen, weil der Tweet schon gelöscht war, auf den ich geantwortet hatte.

(Zurufe)

Dann wissen Sie ja, wovon ich jetzt rede. Es hatte jemand geschrieben, auf der Tribüne ist alles voll mit den Polizeipräsidenten, das könne ja ausgewogen werden. Dazu habe ich gesagt, nein, sie haben kein Rederecht.

(Zurufe)

Frau Rinn, Sie haben leider auch etwas vergessen zu sagen. Nämlich, in dem Artikel in der FAZ, den Sie zitiert haben, hatte ich auch beschrieben, dass die Polizeikräfte von der Verkehrspolizei – mit denen ich am Vortrag noch gesprochen habe, ich habe mich dort umgesehen und auch mit der Polizei geredet –, ihre Türen offen stehen lassen, wenn 2.000 Leute ankommen. Das soll keine Rechtfertigung sein. Ich weiß, Sie möchten es gleich wieder so auslegen. Ich schreibe aber in der FAZ nicht irgendwelche Spekulationen, wie das Auto Feuer gefangen hat, weil ich es nicht weiß, ob es durch Brandbeschleuniger oder Kracher oder sonst etwas verursacht wurde.

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Herr Kliehm, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Stock. Lassen Sie sie zu?

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

(fortfahrend)

Nein, er kann sich gerne wieder zu Wort melden.

Man muss aber auch sagen, dass das, was Herr Becker, Herr Bouffier, Herr zu Löwenstein und Herr Frank abziehen, reiner Populismus ist.

(Beifall)

Ungefähr eine Woche vor Blockupy kam die Frage auf, ob die Organisatoren, wenn dort Nazis, wie angekündigt, teilnehmen möchten, das Recht haben, diese auszuschließen. Die Polizei hat darauf geantwortet, grundsätzlich kann jeder an einer Demo teilnehmen. Das heißt, es ist nach dem Versammlungsrecht den Organisatoren nicht möglich, Menschen von dieser Demonstration auszuschließen. Sie möchten jetzt Menschen, die nachmittags eine andere Demonstration angemeldet haben, dafür verantwortlich machen, was Leute, die nicht an dieser Demonstration teilgenommen haben, vormittags getan haben, das verstehe ich nicht ganz. Herr Stock, es wird Sie vielleicht wundern, aber gleichzeitig ist allen klar, dass Haltestellen entglasen und Privatfahrzeuge anzünden, Angriffe auf das Kolpinghaus und auf das Waisenhaus keine Kapitalismuskritik ist. Es wird Sie wundern zu hören, dass Sie das auch auf Indymedia nachlesen können. Es steht vollkommen außer Diskussion.

(Zurufe)

Dazu komme ich gleich. Es steht vollkommen außer Diskussion, dass das keine Systemkritik ist und dass das einfach dumm und sinnlos war.

(Beifall)

Ein Anmelder einer Demonstration hat nicht die Aufgabe, Polizei zu spielen. Die Anmelder haben sich im Vorfeld ausgiebig dazu geäußert, dass es den friedlichen Aktionskonsens gibt, der friedliche Sitzblockaden und zivilen Ungehorsam beinhaltet. Ich weiß, bei Ihnen sind Sitzblockaden ja teilweise schon Gewalt, weswegen es uns auch schwerfällt, uns von jeder Gewalt zu distanzieren, weil wir friedliche Sitzblockaden und zivilen Ungehorsam ausdrücklich gutheißen. Das Blockupy-Bündnis hat im Vorfeld immer wieder betont, dass es diesen friedlichen Aktionskonsens gibt. Der Anmelder hat nicht Polizei zu spielen. Und wenn ich dann leider von der Polizei höre, dass sie sich darüber beklagt, dass die Anmelder von Blockupy nicht kooperativ waren, dann muss ich sagen, dass es mich sehr gewundert hat, dass etwas aus dem vertraulichen Informationsgespräch unserer Fraktion mit dem Polizeipräsidium gestern in der Regierungserklärung des hessischen Innenministers zu hören war. Da wundern Sie sich noch, dass das Vertrauensverhältnis gestört ist und dass niemand mehr mit Ihnen reden möchte. Tut mir leid. Da kann ich die Blockupy-Anmelder verstehen.

(Beifall)

Ein Anmelder hat kooperativ zu sein. Sie werden sich vielleicht auch wundern, weil Sie sagen, dass das alles nur Gewalttäter waren, dass beispielsweise im englischen Hinweistext für die Versammlungsteilnehmer explizit auf die deutsche Rechtslage hingewiesen und geschrieben wurde, dass es in Deutschland ein Vermummungs- und Bewaffnungsverbot bei Demonstrationen gibt. DIE LINKE – Frau Pauli hat es gesagt – hat sich in der vergangenen Woche oft von Gewalt distanziert. Die Bundestagsfraktion, die Landtagsfraktion, die Frankfurter Fraktion, der Kreisverband.

(Zurufe)

Es gab diesen friedlichen Aktionskonsens. Was Sie jetzt machen, ist ein durchschaubares politisches Manöver, um DIE LINKE und die Blockupy-Bewegung insgesamt zu diskreditieren.

(Beifall, Zurufe)

Es geht bei Ihnen, Herr Stock und den anderen, nicht um das, was bei Blockupy noch am Vormittag passiert ist, es geht jetzt nur noch darum, DIE LINKE zu diskreditieren. Es geht um Unterwerfungsgesten, es geht um Macht und um zukünftige Koalitionen. Sie probieren, DIE LINKE und Blockupy als Bündnis zu spalten, aber ich kann Ihnen sagen, das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall)

Bereits jetzt gibt es eine enorme Solidarität mit Herrn Wilken, mit Frau Wissler und dank der Frankfurter CDU jetzt auch für mich. Ihre Angriffe schweißen DIE LINKE nur zusammen.

Herr Stock, Sie tun gerade so, als hätte ich mich nicht von Gewalt distanziert. Sie hören mir nicht zu. Ich habe es jetzt schon tausend Mal gesagt, dass Gewalt gegen Menschen nicht akzeptabel ist. Da gibt es nichts schönzureden. Ich habe auch im Ausschuss für Recht, Verwaltung und Sicherheit bereits gesagt, was es dort an Äußerungen gab, was Sie auch zu Recht kritisiert haben, kann man durchaus als Rechtfertigungsversuch sehen. Da gibt es nichts schönzureden.

(Zurufe)

Wenn Sie jetzt ankommen und sagen, dass Frankfurt die Wiege der Demokratie sei, dann schauen Sie sich doch einmal an, was 1848 war. Da gab es davor die Märzrevolution.

(Zurufe)

Das ist keine Rechtfertigung für Gewalt, aber schauen Sie sich einmal Ihre Geschichte an, bevor Sie irgendwelche Vergleiche ziehen, von denen Sie eigentlich keine Ahnung haben.

Ich habe es auch schon gesagt: Jede verletzte Person ist eine zu viel. Genau das Gleiche können Sie auch im Hessischen Landtag und im Bundestag hören. Wir haben 150 verletzte Polizeikräfte, das sind zu viel. Davon – das war in den Sächsischen Nachrichten zu lesen – stammen 90 aus Sachsen, wovon 64 durch CS-Gas verletzt worden sind.

(Zurufe)

Schauen Sie es sich einmal auf YouTube an, da sehen Sie, dass Gasgranaten abgeschossen werden. Die sächsischen Kräfte laufen genau in diese Gaswolken hinein. In einem anderen Video können Sie genau sehen, dass auch das Feuerwehrfahrzeug an der Uhlandstraße von Gasgranaten der Polizei eingenebelt wurde. Das können Sie nachschauen.

(Zurufe)

Darüber hinaus gab es auch 280 Einsätze des Rettungsdienstes. Herr Professor Ries hat uns gesagt, dass nicht wenige Verletzte darunter waren, die durch Wurfgeschosse aus den eigenen Reihen verletzt wurden. Da glauben Sie noch, es gäbe irgendjemanden, der diese Art der Gewalt gutheißen würde? Es wurden 250 Personen von den Demo-Sanitätern behandelt. Das ist viel zu viel Gewalt.

Abschließend, mein gelbes Lämpchen leuchtet schon, muss ich sagen: Wenn Sie etwas anderes gesehen haben, Frau Rinn, Herr Siegler, Herr Krug, dann müssen Sie einfach einmal früher aufstehen.

(Zurufe)

Es reicht nicht, wenn Sie um 10 Uhr zur Pressekonferenz ins Polizeirevier gehen und sich dort ein paar PowerPoint-Präsentationen anschauen. Gehen Sie um sechs Uhr morgens auf die Straße, gehen Sie um neun Uhr in den Kessel, schauen Sie sich das an, wo Stress ist. Da können Sie sehen, wie Menschen, und nicht nur Protestierende, sondern auch Polizeibeamte, an ihre Grenzen kommen. Auch dort habe ich unschöne Szenen gesehen.

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Herr Kliehm, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

(fortfahrend)

Wir müssen diese Gewaltspirale durchbrechen, und dazu lade ich Sie alle ein.

(Beifall)

[…]

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kliehm, DIE LINKE-Fraktion. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie noch zwei Minuten und acht Sekunden Redezeit aus Ihrem Redezeitkontingent haben.

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

Das reicht auch, ich halte mich kurz. Über die Gewaltfrage, da können Sie sicher sein, wird innerhalb des Blockupy-Bündnisses gerade schon und auch in Zukunft sehr intensiv gesprochen und diskutiert. Das ist aber nichts, was die CDU oktroyieren kann und das uns von außen aufgestülpt werden kann, sondern das ist ein Prozess, der innerhalb des Bündnisses läuft, wo man sich auf einen neuen Aktionskonsens einigt. Dazu hat Herr Wilken schon gesagt, sollte dieser Aktionskonsens Gewalt einschließen, dann wäre DIE LINKE draußen. Das hat er klar gesagt.

(Beifall)

Ich möchte auch noch einmal darauf eingehen, Frau Busch hat es im Rechtsausschuss schon angedeutet, ich würde sagen, einmal ist es zu viel Polizei und einmal zu wenig. Das ist nicht so. Also, wir hatten mehr als genug Polizei. Wir hatten, wenn ich Herrn Bereswill höre, dass immer nur Hundertschaften eingesetzt werden konnten, 98 Hundertschaften am Mittwoch in Frankfurt, und die waren in den ersten drei Stunden, zwischen sechs Uhr und neun Uhr, nicht sichtbar. Ich weiß nicht, wo sie waren. Das sind Fragen, die müssen Sie sich einfach stellen lassen.

(Zurufe)

Gleichzeitig verwehre ich mich dagegen, ich war selbst morgens unterwegs, die 4.000 bis 6.000 Menschen, die dort waren, pauschal als Straftäter zu diffamieren. Diesen paar Randalierern, diesen 100 bis 200 Randalieren, haben sich von den 4.000 bis 6.000 Menschen Leute in den Weg gestellt und gesagt: Was soll das, dass du hier die Straßenbahn angreifst? Dann haben die aufgehört. Sie haben sich in den Weg gestellt und die Polizei war nicht da, das wollte ich noch einmal sagen. Es geht nicht, eine ganze Bewegung zu diskriminieren. Morgens waren es auch 4.000 Leute, die überwiegend friedlich waren,

(Zurufe)

die zu den Mahnwachen wollten. Dann finde ich es zynisch, wenn Herr Bereswill sagt, bei den Mahnwachen waren ja nur ein paar Hundert. Die sind noch nicht einmal durchgekommen.

(Beifall, Zurufe)

Dieser Beitrag wurde unter Reden abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert