Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:
Danke schön. Eigentlich wäre ich vor Dr. Rahn daran gewesen, aber die Piraten sind eben noch leicht zu übersehen, wir sind ja nur zwei Personen. Es ist aber vielleicht ganz gut, wenn wir uns unter dem Radar bewegen, weil wir es bei der nächsten Kommunalwahl dann so wie die Berliner machen, die in Umfragen derzeit 14 Prozent bekommen. Von daher bin ich ganz zuversichtlich.
Einige von den Reden habe ich jetzt leider schon zum dritten Mal hören müssen. Jedes Mal, wenn Wahlen anstehen, kommen irgendwelche Grundsatzreden und die Koalition verkauft ihr Programm als die beste Erfindung seit der Erfindung des Vanilleeises, und von der Opposition kommen auch immer dieselben Gegenargumente.
Ich habe mir angehört, was Sie gesagt haben, und mir sind ein paar Sachen aufgefallen. Herr Stock hat zum Beispiel gesagt, dass der Wähler deutlich gesprochen und die GRÜNEN belohnt und die SPD abgestraft hätte. Das stimmt aber nicht. Sie haben nicht richtig zugehört, denn der Wähler hat japanisch gesprochen, und dadurch haben Sie ihn vielleicht nicht ganz verstanden.
(Beifall)
Bei den letzen Kommunalwahlen sind nämlich Stimmen von der SPD und den GRÜNEN zu den Piraten gewandert. Leider noch nicht genug Stimmen, weil japanisch gesprochen wurde, aber die Bewegung ist vorhanden. Und warum geschieht das? Meines Erachtens geschieht das deswegen, weil es in Parlamenten oft an Ehrlichkeit fehlt. Sie haben gesagt, Sie würden sich wünschen, dass die Nordwestlandebahn weg wäre. Es gibt aber leider keine guten Feen, die das machen, sondern man muss politisch richtig arbeiten.
In der letzen Legislaturperiode war ich noch nicht im Römer, aber wenn man das, was man mitbekommen hat, richtig deutet, dann stellt man fest, dass sich die GRÜNEN immer enthalten haben. Da helfen am Ende auch keine Wünsche mehr. Das ist nicht das, was ich unter Ehrlichkeit und transparenter Politik verstehe. Transparenz ist bei den Piraten eigentlich fast schon eine Floskel geworden, deswegen möchte ich hier einmal erklären, wie man das erfüllen möchte. Immer wenn Sie Transparenz haben wollen, dann tun Sie so, als wünschen Sie eine Bürgerbeteiligung. Das ist dann dieses Bürgerverfahren, welches wir kürzlich für eine Million Euro hatten. Eine Menge Leute stimmt innerhalb einer kurzen Zeit ab und dann tut man so, als wären sie irgendwie beteiligt, und am Ende entscheidet doch das Parlament. Es ist nur ein Symbol, denn die Bürger werden nicht wirklich beteiligt. Das Gleiche gilt für den Flughafen. Dabei handelt es sich auch um so eine Geschichte, die seit vielen Jahren derart abläuft, dass die Bürger nicht rechtzeitig beteiligt und ihnen reiner Wein eingeschenkt wurde. Jetzt gibt es auf einmal Plakate, auf denen die GRÜNEN zu einer Demo gegen den Flughafen aufrufen. Handelt es sich dabei um die Startbahn West? Nein, handelt es sich nicht. Es geht um die Landebahn Nordwest, und da haben die GRÜNEN die ganze Zeit nichts dagegen getan. Und jetzt auf einmal möchte man sich an die Speerspitze dieser Bewegung stellen.
(Beifall, Zurufe)
Jetzt möchte man sich an die Speerspitze der Bewegung stellen, und das glauben Ihnen die Leute nicht. Das Demoplakat, das ich am Merianplatz gesehen habe, auf welchem die GRÜNEN zu der Demo aufgerufen haben, war zerfetzt. Woher kommt das wohl? Nein, ich war es nicht.
(Zurufe)
Bei dem Thema Campus Bockenheim ist es genauso. Sie veranstalten eine Menge Projektwerkstätten. Die Oberbürgermeisterin betont ständig, wie viel Verständnis sie hat und wie sie sich alles vorstellt, auch wenn sie nicht mehr im Amt ist, und als Nächstes hauen Sie den Bockenheimern den Mietspiegel um die Ohren. Auf der einen Seite sagen Sie, dass man keine Angst haben muss, dass durch den Kulturcampus Bockenheim eine Gentrifizierung stattfindet, aber dann kommt der Mietspiegel und plötzlich steigen die Mieten in Bockenheim. Das ist unehrlich.
Wir haben vorhin von den Dezernenten viele gute Sachen gehört. Bei Vielem würde ich mich auch anschließen, aber es gibt durchaus auch Sachen, die man ankreiden kann. Bei Herrn Professor Dr. Semmelroth ist mir beispielsweise aufgefallen, dass Institutionen wahnsinnig stark gefördert werden. Wir haben ein gutes Kulturangebot in Frankfurt, aber die Subkultur wird nicht gefördert. An dieser Stelle nur dieses eine Beispiel, welches ich sicherlich noch öfter bringen werde.
Die Freie Bildende Kunst in Frankfurt wird jedes Jahr mit 70.000 Euro gefördert. Die Städtischen Bühnen bekommen, glaube ich, 90 Millionen Euro, nur um das mal in ein Verhältnis zu setzen. Ich möchte damit nicht kleinreden, was die Städtischen Bühnen leisten, ganz im Gegenteil, aber da ist bei einigen Projekten durchaus noch Luft nach oben. Man muss auch eindeutig sagen, dass der Werdegang des Museums der Weltkulturen, welches so lange geschlossen war, und die Bürger bei dem übergangen wurden, aktuell keine glückliche Wendung genommen hat.
Herr Stock hat vorhin erwähnt, dass es auch durchaus erfolgreiche Magistratsmitglieder wie zum Beispiel Frau Eskandari-Grünberg und ihr Integrationskonzept gibt, aber nun frage ich mich, warum ist Frau Eskandari-Grünberg kein hauptamtliches Magistratsmitglied, wenn Sie es mit der Förderung der Magistratsmitglieder und deren Arbeit wirklich so ehrlich meinen. Bezüglich der Transparenz ist mir neulich auch aufgefallen, dass es daran etwas mangelt, als ich an dem Akteneinsichtsausschuss Campus Bockenheim teilgenommen habe. Natürlich kann man sich darauf beziehen, dass die HGO und das Recht, sich in dieser Sache zu verweigern, auf Seiten der Aktienbaugesellschaft stehen, so haben wir es vorhin von Frau Oberbürgermeisterin gehört, aber anständig ist das nicht. Auf der einen Seite wird die Aktienbaugesellschaft als städtische Gesellschaft vorgeschoben, damit sie dieses Gebiet entwickelt. Alle Leute werden sagen, dass das sozial ist und wir auch prima Sozialwohnungen dort bauen und gefördertes Wohnen entsteht, und am Ende verkauft die Aktienbaugesellschaft alles wieder an Investoren und es wird ein Riesenstück auf Frankfurter Gebiet ausgehandelt, wo wir einfach keinen Einblick haben.
Dazu wird dann ein Akteneinsichtsausschuss gebildet, weil schon die Bürgerinitiativen nicht in der Lage sind, die Akten einzusehen, aber im Akteneinsichtsausschuss wird dann mitgeteilt, dass man leider auch dort Pech hat. Das finde ich nicht anständig und nicht ehrlich, zumal diese Vorgänge vor den Vertragsunterzeichnungen dem Büro der Oberbürgermeisterin hätten bekannt sein müssen. Vorhin wurde gesagt, dass man als Aufsichtsratsmitglied oder Aufsichtsratsvorsitzender bei der ABG oder beispielsweise auch bei der Fraport AG eine Verpflichtung gegenüber dieser Gesellschaft hat. Tut mir leid, aber mein Verständnis ist da ein anderes. In der Funktion eines Oberbürgermeisters oder einer Oberbürgermeisterin wird man nicht in diesen Aufsichtsrat geschickt, um die Interessen der anderen AG-Mitglieder zu vertreten, sondern um die Interessen der Frankfurterinnen und Frankfurter zu vertreten. Das ist dort nicht geschehen.
(Beifall)
Aus Ihren Reihen kam vorhin der Einwand, dass die Forderung auf Schließung der Landebahn unehrlich sei. Das sehe ich nicht so. Man kann diese Maximalforderung durchaus als Verhandlungsmasse einsetzen, aber es gibt leider einige fantasielose Gestalten, die das wörtlich nehmen. Ich bin der Meinung, dass die Gegenseite vielleicht eher in der Lage ist, auf einige Sachen zu verzichten, wenn man mit dieser Maximalforderung in die Verhandlungen geht, denn der Vertreter hat heute oder gestern über die Presse mitgeteilt, wo man denn hinkäme, wenn Lufthansa Cargo nicht mehr wachsen könne. Man habe gerade fünf neue 777, also neue Jumbo-Jets für den Cargo-Transport bestellt. Tut mir leid, aber Wachstum hat irgendwo ein Ende, nämlich genau dann, wenn Frankfurt im Süden entvölkert wird und die Leute dort nicht mehr wohnen können. Genau dann stößt Wachstum an seine Grenzen.
(Beifall)
Herr Stadtrat Schwarz war in den Ausschüssen, an denen ich teilgenommen habe, sehr unterhaltsam. Ich sitze im Ausschuss für Planung, Bau und Wohnungsbau und ganz ehrlich, mein Eindruck ist, dass dort sehr viel Stillstand vorhanden ist. Teilweise werden Anträge jahrelang vor sich hergeschoben, nicht behandelt und letztlich auf den Nachfolger übertragen. Ein Beispiel hierzu ist der Innenstadtplan, zu dem ich vor ungefähr eineinhalb Jahren auch mal bei einer Planungswerkstatt war. Dieser wurde dem Magistrat schon vor Ewigkeiten vorgelegt, in der Stadtverordnetenversammlung haben wir den Innenstadtplan aber noch immer nicht gesehen, da im Magistrat offenbar kein Konsens besteht. Ich würde mir wünschen, dass wir den Innenstadtplan bald bereden und hier demokratisch verhandeln können, denn natürlich gibt es dort kontroverse Punkte, die jedoch zu diskutieren und im Magistrat nicht einfach Ewigkeiten auf Eis zu legen sind.
Jüngstes Beispiel im Verkehrsausschuss wie auch im Ortsbeirat 8 war die Ortsumfahrung Praunheim. Dabei handelt es sich auch um keine zeitgemäße Politik, genauso wie bei dem Innenstadtplan, bei dem auf einmal Hochhäuser, wie seiner Zeit in den Siebzigern, gebaut werden sollen. Wir haben dann eine Ortsumfahrung Praunheim, die aber Praunheim überhaupt keine Entlastung bringt. Im Gegenteil, einige Gebiete von Praunheim werden noch mehr belastet. In der Nordweststadt soll dafür ein Tunnel gebaut werden, denn die Nordweststadt gehört zur Ortsumfahrung Praunheim. Ich bin da groß geworden, Nordi by Nature sozusagen. Jedenfalls werden wir diesen Tunnel in den nächsten 20 Jahren nicht bauen und trotzdem wird dieses sinnlose Projekt angegangen. Es ist seit acht Jahren im Planungsstatus und ich frage mich, was tun die GRÜNEN? Wir haben ein Verkehrsproblem in der Nordweststadt, in Niederursel und in Praunheim, und die Lösung ist der Bau einer neuen Straße? Hallo, Ihr seid die GRÜNEN.
Es stimmt, wenn Herr Oesterling sagt, dass Stadtrat Stefan Majer keine neue Straße baut. Ja, aber Ihr seid doch die GRÜNEN. Wenn die Leute aus Niederursel mit dem Auto zur Arbeit fahren, weil die Nahverkehrsanbindung dort so schlecht ist, dann müssen mehr Busse her, man erhöht den Nahverkehrstakt und man baut endlich diese RTW-Schienen.
Herr Kämmerer Becker wird heute wahrscheinlich neu gewählt. Diesbezüglich ist mir aufgefallen, dass im Koalitionsvertrag groß geschrieben steht, dass man keine Nettoneuverschuldung machen möchte. Es wurde vorhin schon gesagt, dass durchaus schon von uns Anträge vorgelegt wurden, die Verschuldung um 1,2 Milliarden Euro zu erhöhen, was aber nicht unter Nettoneuverschuldung läuft. Nebenbei haben wir aber stadteigene Betriebe, wie die Stadtentwässerung, die heute bereits über 300 Millionen Euro Schulden hat.
Wir haben vor ein paar Monaten einen Antrag vorgelegt bekommen, durch den die Stadtentwässerung noch einmal 20 Millionen Euro daraufgepackt bekommt und dem Magistrat liegt momentan wieder ein weiterer Schuldenplan vor, um der Stadtentwässerung noch einmal 50 Millionen Euro daraufzupacken. Klar, wir haben ein Defizit, aber die Stadtentwässerung Frankfurt hat inzwischen Schulden von grob geschätzt 370 Millionen Euro an der Backe. Schön, wenn wir keine Nettoneuverschuldung haben und dann hinten herum über stadteigene Betriebe das Geld wieder reingeholt wird, aber ehrlich finde ich das auch nicht.
Wir haben vorhin die Prognose vernommen, dass zuerst der Bürgermeister und dann der Oberbürgermeister nach den Wünschen von Herrn Heuser gewählt werden. Gleichzeitig macht sich die CDU warm für die Oberbürgermeisterwahl, aber auf den Plakaten sehen wir eigentlich keine Themen. Wir haben nur ein weichgezeichnetes Foto von Boris Rhein. Bei den Piraten sind wir noch darüber am streiten, ob er dem Kind die Ohren zuhält oder ihm das Gehirn raussaugt.
(Zurufe)
Ja, keine Themen. Man kann auch gleich Kätzchen aufs Plakat malen, das ist wenigstens ehrlich.
(Beifall, Heiterkeit)
Wenn es keine Themen gibt, wird einfach wieder die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Die CDU sagt, dass sich das Sicherheitsempfinden in Frankfurt in den letzten zehn Jahren verbessert hat. Natürlich, weil nicht mehr eine derartige Angstpolitik betrieben wurde. Vor zehn bis zwölf Jahren wurden noch Wahlkämpfe gemacht, in denen man massiv Angst verbreitet hat, und jetzt haben wir diesen riesigen Sicherheitsapparat. Herr Stadtrat Frank hat gerade berichtet, wie erfolgreich der Freiwillige Polizeidienst ist und dass er diesen in den anderen Innenstadtbereichen auch gerne so ausbauen möchte, wie die Ortsbeiräte sich das wünschen. Vom Ortsbeirat 3 im Nordend habe ich das nicht gehört. Ich glaube, dort möchte man keinen Freiwilligen Polizeidienst. Das heißt also, die CDU probiert, wenn ihr nichts mehr einfällt, auf ihren klassischen Gebieten zu punkten, wie beispielsweise der Sicherheit. Es soll noch ein Sicherheitsbeirat gegründet werden, und wenn Ihnen nichts mehr einfällt, dann wird Symbolpolitik betrieben, wie das Alkoholverbot in S-Bahnen und in der Commerzbank-Arena, worüber wir im nächsten Monat noch mehr hören werden. Die CDU-Hessen ist sich noch nicht einmal dazu zu schade, wieder das Burka-Verbot aus der alten Vorurteilsschublade rauszukramen.
Ich wünsche dem neuen Magistrat alles erdenklich Gute, aber ich wünsche ihm auch, dass er ehrlich zu den Bürgern ist und den Kontakt zu den Bürgern sucht. An dieser Stelle muss ich ein Magistratsmitglied noch einmal hervorheben, welches nicht wiedergewählt wird, nämlich Frau Dr. Rottmann, die ich mehrfach erlebt habe, wie sie in die Höhle des Löwen gegangen ist und dort, wie man heute sagt, mit Wutbürgern geredet und sie mit Argumenten überzeugt hat. Ich wünsche dem neuen Magistrat, dass er die Bürgernähe sucht und nicht vor dem Bürgerkontakt zurückscheut, eben so, wie Frau Dr. Rottmann das gemacht hat.
(Beifall)