Jugendkultur und der Wahlkampf von Boris Rhein

Hier meine Rede in der Plenarsitzung am 1. März, in der ich auf die Wahlkampfmethoden von Innenminister Boris Rhein (CDU) im Wahlkampf zum Oberbürgermeister eingehe.

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Wir hatten heute auch schon in der Fragestunde einen Punkt, bei dem es wieder darum ging, Jugendliche zu bashen, nämlich die wilde Partyszene auf der Zeil, von der das Polizeipräsidium, zumindest dessen Pressestelle, nichts weiß. Dieser Antrag geht in eine ähnliche Richtung. Wir stellen fest, dass die CDU immer mal wieder diese Sicherheitskarte aus dem Hut zaubert, insbesondere vor anstehenden Wahlen. Was man dabei allerdings nicht vergessen darf: Wir reden hier immer sehr viel über Demografie und die demografische Entwicklung. Die Stadt wird immer älter. Das bedeutet aber gleichzeitig auch, dass es heutzutage nicht einfach ist, Jugendlicher oder junger Erwachsener in dieser Stadt zu sein.

In der Stadt leben viele alte Leute. Sobald es in einem Café im Nordend oder auf der Straße etwas lauter wird, rufen sie die Polizei. Ich sehe schon, das Nordend-Klientel fühlt sich hier angesprochen. Wir reden von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 25, 30 Jahren. Die Definition dieses Personenkreises der Jungen Union ist weiter gefasst, Herr Frank würde sogar gerade noch darunter fallen oder wäre der Alterspanne gerade entwachsen.

(Beifall, Heiterkeit)

Ich finde es unerträglich, dass zu Wahlkampfzeiten immer Ängste geschürt werden.

(Beifall)

Herr Frank, Sie hatten erwähnt oder zumindest in einer schriftlichen Stellungnahme mitgeteilt, dass vor 15 Jahren noch ganz viele Leute Angst hatten, es inzwischen aber weniger geworden sind. Sie müssen nicht immer die Ängste bei älteren Menschen schüren. Das geschieht nämlich leider auf dem Rücken von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sowohl die Täter als auch die Opfer meistens unter 30 Jahren sind. Die Älteren, bei denen die Ängste geschürt werden, sind von Auseinandersetzungen oft gar nicht betroffen, weil nämlich die, die überfallen beziehungsweise überfallen werden, eher zu den Jüngeren gehören. Von daher finde ich es bei der Diskussion dieser ganzen Themen unredlich, immer auf die Jugendlichen einzubashen – egal, ob es um die Zeil, den Alkoholkonsum in den U-Bahnen und in Bussen oder, wie in diesem Fall, um das Waldstadion geht.

Wir haben das auf den Punkt gebracht, weil Boris Rhein sich nicht zu schade war, in seinem Wahlkampf immer wieder diese Sicherheitsperspektiven anzusprechen.

(Zurufe)

Ja, so ist er eben. Das ist aber reiner Populismus, denn letzten Endes …

(Beifall, Zurufe)

… werden dabei Jugendliche und friedliche Fußballfans marginalisiert und kriminalisiert.

(Zurufe)

Olaf Cunitz schüttelt den Kopf, er weiß selbst, wie hoch der Alkoholkonsum auf der Ehrentribüne im Waldstadion ist.

(Beifall, Zurufe)

Diesen Alkoholkonsum will Boris Rhein übrigens nicht verbieten. Er möchte Alkoholkontrollen im Stadion durchführen, mit dem Argument, dadurch die Gewalt in Fußballstadien in den Griff zu bekommen.

(Zurufe)

Gewalt im Fußballstadion hat, wie auch Gewalt an anderen Orten, ganz andere Ursachen. Der Ansatz, dass der Alkohol schuld an der Gewalt ist, greift viel zu kurz. Wenn Sie die Leute ins Röhrchen pusten lassen, dann bekommen Sie die Gewalt auch nicht in den Griff. Das gilt auch für andere Bereiche. Die Hessen-CDU hat das Burka-Verbot mal wieder aus der Kiste gekramt, wahrscheinlich weil sie in der BILD-Zeitung von iranischen Ninja-Frauen gelesen hat. Ninjas sind etwas anderes als Frauen mit Burkas. Herr Krebs ist leider schon weg. Die NPD bezieht ihre Inspiration meistens auch aus der BILD-Zeitung. Ich hätte der hessischen CDU ein bisschen mehr zugetraut.

(Beifall)

Sie können mir glauben, unter Kopftüchern verbergen sich in der Regel keine Bomben. Insgesamt sind die Forderungen Ihres Oberbürgermeisterkandidaten, der in Frankfurt Brücken bauen und nicht Gräben schaffen soll, extrem polarisierend und gehen zulasten derer, die sich meistens nicht wehren können, die eine Minderheit in Frankfurt darstellen. Deswegen haben wir diesen fraktionsübergreifenden Antrag gestellt, um gegen diesen Populismus vorzugehen. Echte Hilfe gegen Gewalt im Stadion gäbe es zum Beispiel durch Aufklärung und die Unterstützung von Fanprojekten, die nicht ausreichend gefördert werden.

(Beifall)

Das Fanprojekt in Frankfurt, das sowohl für die Eintracht als auch für den FSV zuständig ist, wird derzeit mit je 50.000 Euro von der Stadt, vom Land und Stellen des DFB gefördert. Möglich wäre, jeweils 60.000 Euro für die Projekte bereitzustellen. Der DFB fördert immer so viel, wie die anderen auch dazugeben. In Berlin werden sogar mehr als 60.000 Euro zur Verfügung gestellt. In diesem Antrag geht es genau darum, dem Fanprojekt mehr Fördermittel zu bewilligen, denn letzten Endes hilft gegen Gewalt, wie ich schon sagte, nur gezielte Aufklärung. Bezug nehmend auf die Vorkommnisse auf der Zeil wäre eine Suchtberatung hilfreich. Im Zusammenhang mit der Beratung der Vorlage B 44 aus dem Jahr 2012 haben wir eine Aufklärung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Schulen und an den entsprechenden Orten angeregt. Es darf zu keiner Dämonisierung dieser Personen kommen.

Sie bringen Senioren teilweise mit dem Auto an die Wahlurnen. Ich möchte Sie trotzdem bitten, auch die Jugendlichen zu beachten, die in Frankfurt eine sehr schwere Stellung haben. Sie dürfen diese Gruppen nicht gegeneinander ausspielen. Sie dürfen bei den Senioren nicht unnötig Ängste mit irgendwelchen Gefährdungspotenzialen schüren, die es so einfach nicht gibt. Darauf zielt unser Antrag ab. Sie haben den Antrag zur Toleranz von friedlichen Alkoholkonsumenten leider abgelehnt, den Antrag mit der Förderung des Fanprojektes haben Sie mit Prüfung und Berichterstattung votiert. Ich hoffe, bei dieser Prüfung kommt etwas Ordentliches heraus. [Anm.: leider nein] Dabei möchte ich es dann bewenden lassen.

(Beifall)

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