Nachtragshaushalt 2014

Zugehörige Vorlagen: Magistratsvortrag M 45/2014

Kontext: Wortprotokoll über die 29. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, den 27. Februar 2014 (16.03 Uhr bis 22.08 Uhr), TOP 6, Nachtragssatzung zur Haushaltssatzung der Stadt Frankfurt am Main für das Haushaltsjahr 2014 sowie Entwurf des Nachtrages zum Investitionsprogramm 2014-2017

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Dr. Rahn!

Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass ich für diese Führung keine Zeit hatte, aber ich war in der Woche danach, bei dem Tag der offenen Tür an der Elisabethenschule. Ich war schwer beeindruckt von der Fantasie, wie die Schülerinnen und Schüler diese Notlage, die sie dort haben, dann mit Spielen, Führungen, Baustellenhelmen und mit allem Möglichen für die Besucherinnen und Besucher des Tages der offenen Tür verdeutlicht haben. Ich muss sagen, so wie die Elisabethenschule sah meine Schule damals auch nicht aus. Aber ich habe inzwischen auch einige Schulen gesehen und unsere Toiletten in der Liebigschule haben damals auch gestunken. Es ist also nicht alles besser, aber es ist auch heute nicht alles schlechter.

Was mich aber sehr verwundert, ist überhaupt die Tatsache, dass wir jetzt hier schon wieder stehen und über den Haushalt reden. Das haben wir gerade erst vor zwei Monaten getan, und Ihr Haushalt ist Ihnen jetzt nach zwei Monaten schon um die Ohren geflogen, sodass Sie einen Nachtragshaushalt auflegen müssen. Wir haben den Haushalt im Dezember abgelehnt, unter anderem, weil die solide Finanzierung fehlt. Sie haben es die ganze Zeit angesprochen, es geht eben nicht nur darum, dass die Stadt kaputtgespart wird – gerade eben auch im sozialen Bereich und im Kulturbereich haben wir das vorhin sehr deutlich gehört –, es gibt auch freiwillige Leistungen, die pflichtige Leistungen sind. Das heißt Leistungen, auf die die Stadt insgesamt nicht verzichten kann und bei denen es der Stadt auch nicht gut zu Gesicht stehen würde, wenn wir darauf verzichten würden, weil uns dadurch etwas verloren geht, insbesondere auch den Bürgerinnen und Bürgern.

Eine Milliarde Euro haben Sie seit 2006 für den Bildungsbereich ausgegeben. Diese Summe zitieren Sie immer – ich konnte das jetzt noch nicht nachprüfen. Aber ich gehe einmal sehr stark davon aus, dass von dieser einen Milliarde Euro doch ein Großteil in den Neubau von Kindergärten und Kitas geflossen ist, gerade um die Null- bis Dreijährigen noch zu versorgen.

(Zurufe)

700 Millionen Euro für Schulen, 300 Millionen Euro für Kitas. Okay, Sie haben 700 Millionen in die Schulen gesteckt, das heißt, Sie haben eben nicht eine Milliarde Euro reingesteckt, und wie Frau Weber vorhin sagte, ist auch noch fast eine Milliarde Euro notwendig. Das heißt, diese 150 Millionen Euro sind leider eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich kam auf diesen Betrag, weil ich mir das Investitionsprogramm für 2014 und die folgenden Jahre angesehen habe. Ursprünglich war geplant, dass Sie 2014 in den Schulneubau und -erweiterungsbau 74 Millionen Euro stecken und in den kommenden drei Jahren 196 Millionen Euro. Da kommen jetzt die 150 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren noch dazu. Bei den Kitas war das ungefähr ausgewogen. Dort werden im Jahr 2014 79 Millionen Euro in den Neubau gesteckt und in den nächsten drei Jahren noch einmal 73 Millionen Euro. Das heißt aber, wir dürfen nicht vergessen, dass sich diese eine Milliarde Euro durchaus in dem Bildungsbereich eben auch auf verschiedene Bereiche aufspaltet, bei denen nicht nur die Schülerinnen und Schüler davon partizipieren.

Es fehlt zum Beispiel auch an einem Ausbau des Ganztagsprogrammes. Wir brauchen mehr kostenfreie Mittagessen an den Schulen, damit alle die Gelegenheit haben, dort zu essen und damit eben die privilegierten Familien nicht an die Privatschulen abwandern. Denn im Endeffekt gibt es einige Privatschulen, bei denen der Unterschied zwischen dem, was man dort bezahlt, und dem, was man für Essen und Betreuung an anderen Schulen bezahlt, nicht mehr so signifikant ist.

Sie hatten vorhin den Schulentwicklungsplan erwähnt. Der ist auch schon seit Jahren überfällig. Ich bin sehr gespannt, wann wir den bekommen. Dann eben mit der Inklusion eingearbeitet, sehr gerne. Wo ich noch ein Defizit bei der Beteiligung sehe ist, dass jetzt die Eltern gehört wurden, und der Stadtschülerinnenrat sich auch beteiligt hat. Die waren auch gestern Abend hier. Aber die hessische Gesetzgebung gibt es, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, leider nicht verpflichtend her, dass die Schulleitung, der Elternbeirat oder der Schülerbeirat verpflichtend bei Neubaumaßnahmen oder Erweiterungsbaumaßnahmen ihrer Schule angehört werden müssen. Ich würde es sehr gerne hören, was gerade die, die davon betroffen sind, bei …

(Zurufe)

Das geschieht, Herr Stock, bei dem Schulentwicklungsplan, aber nicht bei den einzelnen Baumaßnahmen.

(Zurufe)

Ich habe noch keine Vorlage gesehen, bei der es eine Anlage gab, wie sich der Schülerrat, der Elternbeirat und die Schulleitung zu diesen Baumaßnahmen verhalten. Das muss man jeweils extra erfragen. Wenn Sie geheime Koalitionsinformationen haben, dann möchte ich Sie bitten, die mit anderen zu teilen. Wir reden auch mit den Schulen, aber wir müssen sie in jedem einzelnen Fall fragen, weil das eben kein Prozess ist, der von der Behörde, von der Verwaltung her implementiert worden wäre.

Sie haben also jetzt diesen Aktionismusplan vorgelegt und das Einzige, was Ihnen dazu einfällt ist, dass wir neue Schulden machen. Wir hatten aber hingegen kürzlich diese IHK‑Studie vorliegen, nach der Oberbürgermeister Feldmann auch mit der IHK geredet hatte, wo auch die IHK gesagt hat, dass es ihr wert sei, mehr Gewerbesteuer zu zahlen, wenn diese in die Infrastruktur investiert würde. Ich denke, Infrastruktur im Bereich der Schulen ist etwas extrem Wertvolles, was es uns auch wert sein sollte und wo ich auch die Unternehmen, die hier in dieser Stadt tätig sind und Steuern zahlen, nicht nur in der Pflicht sehe, sondern sie partizipieren letzten Endes auch davon.

Wir haben heute die Pressemitteilung bekommen, eben auch von dem Stadtelternbeirat und dem Stadtschülerbeirat, in der gesagt wurde, dass an diesem Aktionsplan beispielsweise zu kritisieren ist, dass der Gesamtfinanzierungsbedarf nicht angegeben wurde. Wir haben jetzt verschiedene Maßnahmen an den Schulen. Wir wissen, was die nächsten fünf Jahre gemacht wird und was später irgendwann gemacht wird. Wir wissen aber leider immer noch nicht, was es kostet, wir wissen immer noch nicht, wie die einzelnen Maßnahmen priorisiert sind. Es wurden einige Schulen in diesem Aktionsplan nicht berücksichtigt und vieles ist einfach auch noch nicht abgebildet. Ich glaube, das, was dort steht, ist erst der Tropfen auf den heißen Stein.

In der heutigen Pressemitteilung wird auch kritisiert, dass zum Beispiel für solche Punkte, wie eine moderne und einheitliche IT‑Ausstattung an den Schulen – also von intelligenten Whiteboards sind wir an vielen Schulen noch weit entfernt –, noch kein Konzept besteht. Es gibt jetzt vereinzelte Pilotprojekte, bei denen Tablets an Schulen benutzt werden können. Fast alle Schülerinnen und Schüler haben heutzutage kleine Computer in der Tasche, die sie in der Schule aber nicht benutzen können. Es gibt kein Konzept, wie diese produktiv im Unterricht eingesetzt werden können, beispielsweise als Rückkanal auch für die etwas Stilleren, sodass sich auch Schülerinnen und Schüler fachlich im Unterricht austauschen können.

Ich habe neulich mit einem Schulleiter gesprochen. Die hatten für ein solches Tablet‑Pilotprojekt übergangsweise WLAN genehmigt bekommen – das muss man genehmigt bekommen – und denen wurde gesagt, dass die Hauptbedenken nicht etwa Sicherheitsbedenken waren, dass irgendjemand Seiten besuchen könnte, die nicht besucht werden soll, sondern es wurde auf einmal mit der Strahlung argumentiert. Das ist nun aber totaler Quatsch. Wenn Sie eine Viertelstunde lang mit Ihrem Handy telefonieren, haben Sie mehr Strahlung abbekommen, als wenn Sie ein Jahr lang einen WLAN-Router betreiben. Ich glaube, da ist noch einiges an Aufklärung auf allen möglichen Seiten notwendig.

Ich möchte Herrn Schenk widersprechen. Ich denke, wir haben zwar jetzt von potenziellen Gesundheitsgefährdungen bei Passivbauten in den Feuerwachen gehört, aber ich glaube, an den Schulen, die ich besucht habe, wurde noch nie kritisiert, dass das Passivhäuser sind. Dort machen sie das Fenster auf, wenn die Luft zu trocken ist. Ich möchte auch nicht ausschließlich nur eine Zweckdienlichkeit. Wohin das führt, haben wir zum Beispiel an der Freiherr‑vom‑Stein‑Schule gesehen, die als PPP‑Projekt gebaut wurde. In der gibt es im Erdgeschoss eine Toilette und man muss dann aus dem dritten Stock hinunter und dann wieder hinauf, weil das alles so zweckdienlich und zentralisiert ist. Nicht nur die Zweckdienlichkeit, sondern vielleicht sogar auch wieder so etwas wie in den Sechzigerjahren, Kunst am Bau, würde uns guttun, sodass man auch gerne in die Schule geht.

Letztlich haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag gesagt, dass Sie die Nettoneuverschuldung reduzieren möchten. Sie möchten keine neue Nettoneuverschuldung. In der Haushaltsrede im September 2013 haben Sie das schon relativiert, Sie möchten keine Nettoneuverschuldung bis 2020.

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Herr Kliehm, kommen Sie bitte zum Ende, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Stadtverordneter Martin Kliehm, Piraten:

(fortfahrend)

Ja. Sie planen also schon für die nächste Haushaltsperiode mit, und ich möchte Ihnen sagen, dass Sie die Einnahmen erhöhen müssen. Es führt dabei nichts an einer Erhöhung der Gewerbesteuer vorbei.

(Beifall)

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