Project Shelter unterstützen!

Kontext: Wortprotokoll über die 47. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Donnerstag, dem 17. Dezember 2015 (16.00 Uhr bis 23:13 Uhr), TOP 9, Sofortiger Winterabschiebestopp für besonders schutzbedürftige Personen

Stadtverordneter Martin Kliehm, DIE LINKE. im Römer:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Am Anfang war nicht ganz klar, inwiefern unser Antrag NR 1298 zum Winterabschiebestopp mit unserem neuen Antrag NR 1346 im Zusammenhang steht. Ich hoffe, am Ende meiner Rede werden Sie das besser verstehen. Der Antrag NR 1346 zitiert sinngemäß das, was der Ortsbeirat 3 am vergangenen Donnerstag beschlossen hat. Der Ortsbeirat 3 bittet die ABG Frankfurt Holding und den Magistrat, keine Räumung zu veranlassen, sondern in Verhandlungen mit dem Ziel zu treten, vorübergehend das Haus den obdachlosen Geflüchteten und den Migranten zur Verfügung zu stellen. Die CDU im Nordend hat einen sehr ähnlichen Antrag gestellt, der aber zeitlich begrenzt war – man höre und staune.

Seit über einem Jahr gehen die Aktivisten von Project Shelter in die Ortsbeiräte und Ausschüsse, initiieren Petitionen und überreichen diese dem Oberbürgermeister mit 3.000 Unterschriften. Jetzt wurde gerade die neueste Petition gestartet. Sie sprechen mit dem Magistrat, organisieren Mahnwachen und Demonstrationen und führen Informationsveranstaltungen durch. Das machen sie alles parallel zu der Arbeit mit den Geflüchteten. Das erfordert eine unheimliche Eigeninitiative, die sie dabei an den Tag legen, bis hin zur Aufnahme von Geflüchteten auf dem eigenen Sofa. Die Frankfurter Rundschau schrieb, dass diese jungen Leute voll glühendem Idealismus sind, das Studierendenhaus nennt ihre Arbeit vorbildlich.

Dann besetzen die Aktivisten aus Notwehr ein Haus, weil dort seitens der Stadt ein Jahr lang überhaupt nichts passiert ist. Sie haben Ihnen in allen parlamentarischen Gremien die Tür eingerannt. Ein Jahr lang ist überhaupt nichts passiert. Daraufhin besetzen sie ein Haus. Herr Cunitz sagt, sie waren gar nicht bei ihm gewesen. Zu wem im Magistrat sollen sie denn noch alles gehen? Vor Ort sehen wir dann den Geschäftsführer der ABG Frankfurt Holding, der nicht verhandlungsbereit war. Die ABG Frankfurt Holding lässt lieber Menschen verprügeln, statt ihnen im Winter ein Dach über dem Kopf zu geben.

(Beifall, Zurufe)

Herr Siefert hat gerade wieder betont, die ABG Frankfurt Holding macht genau und nur das, was die Mehrheit in diesem Parlament möchte.

(Zurufe)

Das war auch in der Presse zu lesen. Die Koalition wie auch die SPD haben gesagt, dass die ABG Frankfurt Holding dem Weisungsrecht der Stadt unterliegt. Den Kurs der Gesellschaft bestimmt allein die politische Mehrheit. Insofern mache ich Sie dafür verantwortlich, …

(Zurufe)

… wenn eine solche Situation eskaliert. Sie sind dafür politisch verantwortlich.

(Beifall)

Sie können sich jetzt darüber aufregen, im Ortsbeirat 3 haben Sie das noch anders gesehen. Das Haus Berger Straße 103 steht schon sehr lange leer. Im Januar 2015 wurde von der Stadt Frankfurt noch ein Grundstück in der Höhenstraße an die ABG Frankfurt Holding verkauft. Seither ist dort nichts passiert. Kaum findet eine Hausbesetzung statt, sagt Herr Junker, dass die ABG das Haus Anfang des Jahres abreißen will. Ich möchte einmal sehen, dass dort im Winter bei Eis und Frost das Haus abgerissen wird und die Bagger anrücken, um die Erde aufzureißen. Insofern wäre es durchaus möglich gewesen, dort die obdachlosen Geflüchteten noch den Winter über unterzubringen. Denn vor April passiert sowieso nichts.

Viele der in dem Project Shelter Aktiven haben das Problem, dass sie einen dauerhaften Aufenthaltsstatus in Ländern wie Italien, Spanien oder Griechenland haben. Sie wissen von der Bankenkrise, dass dort große Arbeitslosigkeit herrscht und die Sozialsysteme abgeschafft sind. Sie sind arbeitslos geworden und auf der Straße gelandet, weswegen sie dann nach Deutschland gekommen sind. Hier haben sie das Problem, dass sie ohne Wohnung keinen Job finden und ohne Job keine Wohnung. Was liegt also näher, als ihnen eine Adresse zu verschaffen, sodass sie endlich mit ihrer Qualifikation eine Arbeit finden können.

(Beifall)

Was ist die Antwort der Stadt Frankfurt? Die Stadt Frankfurt sagt, sie können in der B Ebene schlafen. Wenn das nicht reicht, wird gesagt, ich zitiere: Wir können ihnen nur eine Fahrkarte nach Italien gewähren. Sie erinnern sich, dass ich gerade gesagt habe, wie die Situation in Italien ist. Das ist doch an Zynismus nicht zu überbieten! Als Reaktion auf diese Hausbesetzung äußert Manuel Stock, dass es doch stadtverwaltete Zentren wie das Klapperfeld oder das ExZess gäbe. Aber deren Aufgabe ist es nicht, obdachlosen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben. Dafür brauchen wir eine Eigeninitiative wie die von Project Shelter. Die CDU begrüßt die Räumung mit über 30 Verletzten. Ich kann nicht sehen, dass dieses Vorgehen das Ziel der Politik in der Stadt sein sollte. Aber wenn die Mehrheit das so möchte.

Und nun möchte ich den Bogen zum Winterabschiebestopp spannen: Ich habe die Situation in den südeuropäischen Ländern beschrieben, die von der Bankenkrise betroffen sind. Unser Antrag zum Winterabschiebestopp fordert, dass besonders schutzbedürftige Menschen im Winter nicht abgeschoben werden dürfen. Das ist eine Entscheidung der Stadt Frankfurt, die im Ermessensspielraum der Ausländerbehörde der Stadt Frankfurt liegt, die dem Ordnungsdezernenten untersteht. Deswegen können wir diesen Antrag im Stadtparlament einbringen. Sie warten eine Weile ab, bis der Winter in den Frühling übergegangen ist – jedenfalls wenn man nach draußen sieht –, und bringen dann einen weich gespülten Antrag ein, in dem steht, das Land Hessen möge bitte ganz lieb sein und niemanden abweisen. Das ist aber doch Sache der Stadt Frankfurt.

Parallel dazu twittert die Grüne Jugend, ich zitiere: So dürfen ABG und Polizei nicht handeln. Doch, das tun sie aber und die grüne Elternorganisation im Stadtparlament macht es ebenso. Frau Purkhardt hat in ihrem Artikel auf der Webseite der GRÜNEN im Nordend als Schlusssatz geschrieben: Mittlerweile war es 24 Uhr und es war sehr kalt. Tatsächlich ist es sehr kalt in Kaltland, wenn Geflüchtete auf einmal durch das soziale Netz fallen, wenn ihnen gesagt wird, doch unter der Brücke zu schlafen und sich ausrauben zu lassen oder zurückzugehen, wo sie hergekommen sind. Wir können nicht zulassen, dass diese Menschen durch das soziale Netz fallen. Es gibt eine Lösung. Es gibt sehr engagierte junge Menschen, die eine praktikable Forderung haben, nämlich leer stehende Gebäude der ABG Frankfurt Holding – ein leer stehendes Gebäude würde schon reichen! – zeitweise zur Verfügung gestellt zu bekommen, insbesondere im Winter.

Wir brauchen jetzt einen Shelter. Ich bitte Sie, morgen um 16 Uhr in die Kleyerstraße zu gehen, um sich dort noch einmal mit den Protagonisten zu unterhalten. Sie gehen auf Sie zu und suchen den Dialog. Es sind keine Kriminellen, sie brauchen unsere Unterstützung.

Danke sehr!

(Beifall)

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