Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen

Anfrage der ELF Piraten Fraktion gemäß § 50 II Satz 5 HGO

Die hessische CDU wird nicht müde zu betonen, wie sehr sie Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen befürwortet. Dabei behaupten Innenminister Boris Rhein und Ordnungsdezernent Markus Frank fast wortgleich, die Videoüberwachung sei „ein wirkungsvolles Instrument zur Abschreckung von potenziellen Tätern und zur Aufklärung von Straftaten“. Als Beispiel wird dann meist ohne Überprüfung ein Rück­gang der Straftaten an der Konstablerwache um 58% zitiert, „ein Muster­beispiel für die gelungene Auflösung einer Drogenszene“ (Boris Rhein).

Die Stadt stehe im Gespräch mit dem Polizeipräsidium zur Ausweitung der Videoüberwachung, schreiben die Frankfurter Zeitungen im Dezember 2012. Und die ehemalige Vize-Präsidentin Sabine Thurau schlug eine Ausweitung der Videoüberwachung gleich selbst vor, unter anderem auf die Hauptwache, den Römerberg, den Opernplatz und den Bahnhof am Stadion. Am Bornheimer Hang hängen gleich Dutzende unzureichend gekenn­zeichnete Überwachungskameras.

Unterdessen schaltet Hamburg die Überwachungskameras auf der Reeperbahn wieder ab, weil sie zur Bekämpfung von Straftaten kaum etwas beitragen (Die Welt vom 14.07.2011). Zuvor hatte der Datenschutzbeauftragte des Landes die Aufnahme von Hauseingängen und Fenstern unter­sagt. In Hannover mussten nach Beschluss des Verwaltungsgerichts insgesamt 78 unzureichend gekenn­zeichnete Verkehrskameras abgeschaltet werden (VG Hannover, 10 A 5452/10). Der ehemalige Berliner Polizeipräsident Glietsch schätzt die Situation so ein: „Kameras können Gewalt nicht verhindern“ (Tagesspiegel vom 18.05.2011). Und die Drogenszene rings um die Konstabler­wache und im Kaisersack floriert ganz offensichtlich weiterhin.

Basierend auf dem Fragenkatalog der Datenschützer Rhein-Main fordern wir den Magistrat auf, die Behauptungen zu belegen und diese tagtäglichen, erheblichen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unserer Einwohnerinnen und Einwohner zu rechtfertigen:

  1. Wie viele festinstallierte Anlagen zur Videoüberwachung öffentlichen oder halböffentlichen Raums werden von der Stadt Frankfurt, den Verkehrs- und Ordnungsbehörden betrieben?
  2. Wo befinden sich diese Kameras im Einzelnen? Ideal wären bei den oberirdischen Anlagen Tabellen mit den Geokoordinaten.
  3. Welche dieser Anlagen zeichnen die Bilder auf? Wie lange ist die Speicherdauer bei den einzelnen Anlagen?
  4. In jeweils welcher Qualität liefern diese Kameras Bilder? Welche Auflösung und welche Zoomfaktoren bzw. Brennweiten besitzen die Anlagen?
  5. Werden Hauseingänge und Fenster von Gebäuden im Videobild geschwärzt?
  6. Warum sind viele der Videoüberwachungsanlagen in Frankfurt nicht gekennzeichnet, wie es BDSG und HSOG verlangen?
  7. Findet die in § 14 Abs. 3 HSOG festgelegte höchstens zweijährige Überprüfung der Rechts­grundlagen der einzelnen Kameras statt? Wo lassen sich diese Unterlagen einsehen?
  8. Mit welcher Einzelfallbegründung werden die jeweiligen Videoüberwachungsanlagen betrieben?
  9. Wieviele Personen haben jeweils Zugangsberechtigungen zu den Aufzeichnungen?
  10. Sofern es sich dabei um „öffentliche Straßen und Plätze, auf denen wiederholt Straftaten begangen worden sind“ bzw. um „besonders gefährdete öffentliche Einrichtungen“ (§ 14 Abs. 4 HSOG) handelt: An Hand welcher Tatsachen wurde die entsprechende Notwendigkeit fest­gestellt?
  11. Auf wieviele festinstallierte Anlagen zur Videoüberwachung öffentlichen oder halböffentlichen Raums anderer Betreiber (z.B. Verkehrsbetriebe, Banken, Sportanlagen von Vereinen, Bahn­höfe etc.) haben die Ordnungsbehörden in Frankfurt am Main gem. § 15 HDSG Zugriff? Zählen dazu auch die Überwachungskameras am Bornheimer Hang?
  12. Auf dem Römerberg finden häufig Kundgebungen und Demonstrationen statt. Sieht er Magistrat die Gefahr eines Eingriffs in die Demonstrationsfreiheit bei der Überwachung des Platzes, und wie würde er gedenken, diese Gefahr auszuräumen?
  13. Inwieweit sieht der Magistrat eine Gefährdung öffentlicher Einrichtungen, namentlich des Rathauses und der Alten Oper, die eine Videoüberwachung des öffentlichen Raums erforderlich machten? Um welche konkreten Gefährdungen handelt es sich dabei? Wie sollen die Über­wachungskameras der Abwehr dieser Gefährdung dienen?
  14. Werden die Kameras an der Konstablerwache am Christopher Street Day abgeschaltet?
  15. Betrachtet der Magistrat Fußballfans generell als „potenzielle Straftäter“? Falls nein, wie begründet er die erheblichen Eingriffe in die Rechte dieser Fans?
  16. Ist bei der Überwachung öffentlicher Straßenverkehrsräume durch die von der Stadt, den Verkehrs- oder Ordnungsbehörden betriebenen Überwachungskameras die Lesbarkeit von KFZ-Kennzeichen technisch möglich? Falls ja, werden KFZ-Kennzeichen halb- oder vollautomatisch von diesen Behörden gelesen und wenn ja: in welchem Umfang und auf welcher Rechtsgrund­lage?
  17. In welcher Form erfolgt eine Überwachung bzw. Kontrolle der Bilder der Überwachungs­kameras, bei denen die Polizei in Frankfurt „verantwortliche Stelle“ i. S. § 14 Abs. 3 HSOG ist? Auf wieviele Bildschirme werden die Bilder beispielsweise übertragen und wieviele Polizistinnen und Polizisten sind dauerhaft dafür abgestellt, diese zu überwachen? Wieviele Monitore muss eine Polizeikraft dabei im Auge behalten? Wieviele Kameras werden nur zeitweise oder überhaupt nicht überwacht?
  18. Auf welche Art und Weise werden Statistiken geführt, um die Verhältnismäßigkeit der Anlagen zu überprüfen? Wo sind diese Statistiken einsehbar? Handelt es sich dabei um polizeiliche Eingangs-, Ausgangs- oder Verurteilungsstatistiken?
  19. Wie oft in den vergangenen drei Jahren konnte die Polizei ausschließlich aufgrund der auf dem Bildschirm erkannten Gefahr „umgehend einschrei­ten“ (Boris Rhein)?
  20. Wie viele Taten konnten mittels der Überwachungskameras im Frankfurter Stadtgebiet in den vergangenen drei Jahren jeweils aufgeklärt werden? Wie schlüsseln sich diese in Ordnungs­widrigkeiten, Vergehen und Verbrechen auf?
  21. Wie entwickelten sich die Zahlen der Straftaten aus Drogenhandel und Beschaffungs­kriminalität insgesamt im Stadtgebiet zwischen 2002 und 2013?
  22. Wie entwickelten sich diese Straftaten im genannten Zeitraum im Areal zwischen Berliner Straße, Battonnstraße, Allerheiligentor, Friedberger Anlage, Eschenheimer Anlage, Großer Eschenheimer Straße, Hauptwache und Kornmarkt?
  23. Wie hat sich die Anzahl von behördlich betriebenen Videoüberwachungsanlagen in Frankfurt seit 2002 verändert?
  24. Wie hoch waren die Anschaffungs- und sind die jährlichen Betriebskosten der behördlich betriebenen Videoüberwachungsanlagen in Frankfurt?
  25. Gibt es Pläne oder Überlegungen, die polizeiliche Videoüberwachung in Frankfurt aus- oder zurückzubauen? Sollte vor Gesprächen mit dem Polizeipräsidium zum Ausbau nicht zuerst das Mandat durch die Stadtverordnetenversammlung erteilt werden?
  26. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet? Sind diese Quellen im Internet abrufbar? Falls ja, unter welchen Adressen? Wäre es möglich, diese auf frankfurt.de bzw. dem zukünftigen Open Data-Portal der Stadt einzustellen und fortlaufend zu aktualisieren?

Anfragesteller

Stv. Martin Kliehm
Stv. Herbert Förster
Stv. Luigi Brillante

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