Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Magistrat wird aufgefordert:
- Die Ausländerbehörde Frankfurt am Main soll bei maximaler Ausschöpfung ihres Ermessensspielraums Abschiebungen besonders schutzbedürftiger Personen während der Wintermonate aussetzen.
- Der Magistrat wird sich bei den zuständigen Stellen und Verantwortungsträgern des Landes Hessen für den Erlass eines sofortigen Winterabschiebestopps für besonders schutzbedürftige Personen einsetzen.
Diese Regelungen sollen bis mindestens zum 31. März 2016 gelten. Das Wintermoratorium soll die Abschiebungen von Angehörigen diskriminierter Minderheiten in Staaten und Regionen mit entsprechend problematischen Witterungs-, Ernährungs- und Unterkunftsbedingungen betreffen. Auch für besonders schutzbedürftige Personen gemäß Art. 21 der EU-Aufnahmerichtlinie müssen die Wintermonate als Abschiebehindernis gelten.
Begründung
Die am 24. September 2015 von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedete Resolution bringt zum Ausdruck, dass Frankfurt sich der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auf dem Gebiet der Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik bewusst ist. Die Stadt bringt sich bereits seit Jahren aktiv in Prozesse ein, um diese Herausforderungen zu bewältigen und Lösungen zu entwickeln, die vor allem den Menschen, die Schutz vor Verfolgung oder Gewalt suchen, zu Gute kommen. Diesen Weg will Frankfurt auch in Zukunft beschreiten. Die Stadt steht für eine moderne, eine humanitäre Flüchtlingspolitik.
In diesem Sinne wurden in der Resolution nicht nur nach Frankfurt kommende Geflüchtete willkommen geheißen und die „Willkommenskultur“ zivilgesellschaftlich engagierter Frankfurterinnen und Frankfurter, städtischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Hilfs- und Flüchtlingsorganisationen als vorbildlich begrüßt. Ausdrücklich betonte sie, dass sich die Stadt ihrer humanitären Verantwortung stellt und entsprechende Erwartungen auch an das Land Hessen hat. Diese Erwartungshaltung soll nun aktiv vertreten und eine humanitäre Asylpolitik eingefordert werden.
Bereits im vergangenen Jahr traten die Länder Schleswig-Holstein und Thüringen als Vorbilder einer humanitären Asylpolitik auf. So wurden in den Wintermonaten Abschiebungen von Angehörigen besonders schutzbedürftiger Minderheiten durch die zuständigen Ausländerbehörden vorübergehend ausgesetzt. Eine Abschiebung von Angehörigen schutzbedürftiger Minderheiten in den Wintermonaten stellt auf Grund von Witterungs-, Ernährungs-, Gesundheits- und Unterkunftsbedingungen in entsprechenden Staaten und Regionen eine unzumutbare Härte und letztlich einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest: Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren
(1 BvL 10/10). Die Möglichkeit der vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen aus humanitären Gründen ist gemäß § 60a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes gegeben.
Als Angehörige diskriminierter Minderheiten gelten unter anderem Roma, Aschkali, Bosniaken, Ägypter, Torbeschen und Goranen. Diesen wird unter anderem in den Staaten Serbien, Mazedonien, Kosovo, Albanien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina und Montenegro – mitunter trotz der Einstufung als sichere Herkunftsländer – systematisch der Zugang zu Wohnraum, Bildung und Krankenversorgung oder auch die Registrierung als Arbeitssuchende verwehrt. Dies ergibt sich unter anderem aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes, den Entscheiderbriefen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und Berichten des Europarats sowie Berichten von Organisationen wie amnesty international und Human Rights Watch.
Ebenso gelten gemäß Artikel 21 der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) als besonders schutzbedürftig Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.
Antragstellende
- Stadtv. Carmen Thiele
- Stadtv. Dominike Pauli
- Stadtv. Lothar Reininger
- Stadtv. Luigi Brillante
- Stadtv. Martin Kliehm
- Stadtv. Merve Ayyildiz
- Stadtv. Peter Gärtner