Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, in Bussen und Bahnen und bald auch im Taxi

Foto: CC BY Martin Kliehm

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Videoüberwachung als Allheilmittel gegen eine böse und gefährliche Welt. Wer den Worten von Innenminister Boris Rhein und Ordnungsdezernent Markus Frank Glauben schenkt, der sieht sich sicher in einer Welt ohne Kriminalität. Videoüberwachung sei „ein wirkungsvolles Instrument zur Abschreckung von potenziellen Tätern und zur Aufklärung von Straftaten“. Als Beispiel wird dann meist ohne Überprüfung ein Rück­gang der Straftaten an der Konstablerwache um 58% zitiert, „ein Muster­beispiel für die gelungene Auflösung einer Drogenszene“ (Boris Rhein).

Doch nimmt die Verbrechensrate wirklich ab? Nein, sie verlagert sich einfach. Die Drogenszene ist mitnichten aufgelöst, sie ist einfach nicht mehr auf der Konstablerwache, sondern auf der Zeil, in Seitenstraßen und die Drogenabhängigen sind auch nicht geheilt, sie besorgen sich ihre Drogen nun dort, wo sie nicht von Videokameras überwacht werden. Wir verdrängen die Probleme unserer Gesellschaft einfach dorthin, wo man sie nicht mehr sehen kann: Das ist der zweifelhafte Erfolg, den uns die Videoüberwachung beschert.

Hamburg schaltet die Überwachungskameras auf der Reeperbahn wieder ab, weil sie zur Bekämpfung von Straftaten kaum etwas beitragen (Die Welt vom 14.07.2011). Zuvor hatte der Datenschutzbeauftragte des Landes die Aufnahme von Hauseingängen und Fenstern unter­sagt. In Hannover mussten nach Beschluss des Verwaltungsgerichts insgesamt 78 unzureichend gekenn­zeichnete Verkehrskameras abgeschaltet werden (VG Hannover, 10 A 5452/10). Der ehemalige Berliner Polizeipräsident Glietsch schätzt die Situation ein: „Kameras können Gewalt nicht verhindern“ (Tagesspiegel vom 18.05.2011). Nur Frankfurt steht im Gespräch mit dem Polizeipräsidium zur Ausweitung der Videoüberwachung!

Es sind nicht nur der öffentliche Raum von dem Videowahn betroffen, in fast allen Bussen und Bahnen der Stadt finden sich mittlerweile Überwachungskameras. Unter Beteiligung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen, dem u.a. die VGF, die Deutsche Bahn AG und verschiedene Frankfurter Busunternehmen angehören, wurden in Abstimmung mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits vor einigen Jahren Empfehlungen erarbeitet. Darin heißt es:

„Die Videobeobachtung darf nicht der Regelfall sein, sondern nur stattfinden, wenn sie not­wendig ist. Es sollte auch geprüft werden, ob den Fahrgästen die Möglichkeit einer unbeob­achteten Nutzung des Verkehrsmittels eingeräumt werden kann. Daher verlangt der Einbau von Video­kameras in den Verkehrsmitteln eine Einzelfallprüfung mit schriftlichem Vermerk über das Ergebnis; es darf keine automatische Ausstattung aller Verkehrsmittel mit Video­kameras stattfinden. Das Erfordernis einer Fortführung der Videoüberwachung ist minde­stens alle zwei Jahre festzustellen und zu begründen.“

Dazu Martin Kliehm, Fraktionsvorsitzender der ELF Piraten Fraktion im Römer: „Nach unseren Informationen ist der Einbau von Videokameras in öffentlichen Verkehrsmitteln längst die Regel. Gleichzeitig ist belegt, dass Videokameras zwar das subjektive Sicherheitsgefühl bei einigen Fahrgästen steigern, aber kriminelle oder im Affekt handelnde Personen keineswegs von ihrer Anwesenheit abgeschreckt werden. Die Totalüberwachung stellt einen massiven Eingriff in die Grundrechte der 162 Millionen Fahrgäste der VGF dar und ist zu rechtfertigen.“

Und dann fordern der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband mit Sitz in Frankfurt sowie der Vorsitzende der Frankfurter Taxivereinigung nun auch noch Videoüberwachung im Innenraum von Taxis und auch außen. Sie nennen die Überwachung im Neusprech „Überfallschutz­kamera“, begründen dies mit einer hohen Zahl an Überfällen und dem „gesteigerten Sicherheitsge­fühl“ der Fahrgäste, als ob die Fahrgäste Angst vor den Fahrerinnen und Fahrern haben müssten.

In Frankfurt am Main registrierte die Polizei im Jahr 2012 insgesamt 7 (sieben) Raubüberfälle auf Taxis, die Zahl ist nach Auskunft des Polizeipräsidiums seit 2010 weitgehend stabil. Von einer hohen oder gar steigenden Zahl von Überfällen kann nicht die Rede sein. Auch schützen die Kameras nicht vor Überfällen: Nachdem in Bremerhaven nach einer Serie von Überfällen Videoüberwachung in Taxis installiert wurde, sind die Räuber inzwischen dazu überge­gangen, maskiert und von außen Taxis zu überfallen, statt sich zuerst an abgelegene Orte chauffieren zu lassen.

Die Datenschützer von Bund und Ländern haben im „Düsseldorfer Kreis“ grundsätzliche Einwände gegen die Videoüberwachung im Innenraum von Taxis geäußert. Gerade eine Audioüberwachung ist wegen des Schutzes am Arbeitsplatz unzulässig. Die Situation für eine automatisierte und generelle Videoüberwachung wie in Bussen und Bahnen ist nicht auf Taxis übertragbar, meinen die Datenschützer.

Aus oben genannten Gründen hat die ELF Piraten Fraktion zwei Anfragen zum Thema Videoüberwachung an den Magistrat gestellt:

Und einen Antrag zur Änderung der Frankfurter Taxiordnung zur Unterlassung von Audio- und Bildaufnahmen:

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